Haut aus Seide
-Filialen betreuen und sich bei ihrer Integration in die Graves -Kaufhäuser einbringen.«
Philip hatte den Mund mittlerweile wieder geschlossen und blinzelte hektisch. Doch als hätte er plötzlich gemerkt, wie nervös er wirkte, beruhigte er sich wieder ein wenig. »Ich werde wahrscheinlich meine Stieftochter heiraten.«
Seine Worte hatten etwas Herausforderndes, und Simon stellte sein Glas mit plötzlichem Misstrauen auf Philips Schreibtisch ab. »Ich habe gehört, sie soll ein sehr nettes Mädchen sein.«
»Sehr nett. Aber unsere Vermählung wird wahrscheinlich für Schlagzeilen sorgen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Ihren Vorstellungen entspricht.«
Da war etwas dran. Simon hatte seine Hoffnungen eigentlich auf eine positive Berichterstattung gesetzt –
ein paar nette Artikel, um den Namen Graves noch ein bisschen bekannter und populärer zu machen. Er betrachtete den Mann, der das nun aufs Spiel setzte, besah die Fingernägel, die Philip bis zum Nagelbett abgekaut hatte, und die sture Haltung seines Kiefers. Seine Augen wirkten älter als der Rest seines attraktiven Gesichts, obwohl das seiner Filmstaraura keinerlei Abbruch tat.
Plötzlich fiel Simon ein, dass Lela diesen Mann kannte. Auch Lela hatte bereits in diese traurigen Engelsaugen geschaut und sich trotzdem in ihn, Simon, verliebt. Er fragte sich, welchen Skandal er wohl um ihretwillen riskieren würde. Eigentlich jeden , dachte er bei sich. Selbst wenn sie ihm diese Übernahme niemals verzeihen würde. Simon entschied sich in einem Atemzug für eine Antwort.
»Es ist Ihre Sache, wen Sie heiraten«, sagte er. »Wenn Sie für mich arbeiten, haben Sie meine hundertprozentige Unterstützung.«
Philips langsam breiter werdendes Lächeln hätte jeden Teenager zum Schwärmen gebracht. »Wenn ich für Sie arbeite, will ich das Doppelte von dem, was Sie Andrew zahlen.«
Simon lachte. Da sollte noch mal einer sagen, Briten hätten keinen Mumm.
Sie tranken eine Flasche schweren, dunklen Burgunder leer und öffneten danach noch eine zweite. Je mehr sie von der Geschichte erzählte, desto betrunkener wurde Béatrix. Ihr lallend hervorgebrachter Zorn ging langsam in Richtung Ungerechtigkeit.
»Ich ärgere mich so, dass das Ganze passiert ist«, sagte sie nicht zum ersten Mal.
Der Wein schwappte in ihrem Glas, als sie es auf das Marmortischchen stellte, welches sie auf dem St.-Quen-Flohmarkt um ein Drittel heruntergehandelt hatte. Ein halbes Jahr war das jetzt her. Sie war so stolz auf ihre Unabhängigkeit gewesen. So entschlossen, ihre Gefühle für Philip hinter sich zu lassen. Bea legte die Ellbogen auf die Knie und starrte auf die Wellen, die der Wein im Glas erzeugte.
Das Leben lief eben nicht immer so, wie man es plante.
»Ich ärgere mich, dass es an mir liegt«, sagte sie und wischte sich die Nase. »Ich ärgere mich, dass er alles verliert, wofür er jemals gearbeitet hat. Und das nur, weil ich ihm etwas bedeute.«
Lela massierte der Freundin leicht die Schulterblätter – so wie früher, wenn Béatrix eine Schularbeit verhauen oder ein Junge mit ihr Schluss gemacht hatte. Wie nichtig waren diese Verletzungen doch im Vergleich zu dem gewesen, was sie jetzt durchmachte.
»Es ist nicht deine Schuld«, tröstete sie. »Es war diese Frau. Diese Marie d’Ardennes. Und vielleicht hat Philip auch selbst Schuld, weil er nicht so forsch ist, wie deine Mutter es war. Vielleicht ist es sogar am besten so.«
Béatrix starrte sie erstaunt an. »Wieso sollte so am besten sein? Philip ist ruiniert!«
»Er ist nicht ruiniert, Bea. Er hat eine Firma verloren. Und ob er sich darüber nun im Klaren ist oder nicht, ich glaube, er hat es gar nicht anders gewollt. Ich glaube, er hat sich stattdessen für dich entschieden.«
Hinter Lelas Augen stieg die Ahnung auf, dass Béatrix sich dessen noch gar nicht wirklich bewusst war. Nach und nach drangen die Worte in ihren Verstand. Philip
hatte sich für sie entschieden. Sie begann erneut hemmungslos zu weinen. Bea vergrub ihr Gesicht an Lelas Schulter und klammerte sich an ihrer Freundin fest. »Und wenn ich es nun gar nicht wert bin? Wenn es ihm nun irgendwann leidtut?«
»Ach, Bea.« Lela drückte ihr einen Kuss aufs Haar, dann auf die Wangen und schließlich auf die bebenden, weichen Lippen. Der Kuss schmeckte nach Wein und Tränen. Bea ließ sich die Zärtlichkeiten einen Moment lang gefallen. Manchmal war das der einzige Weg, jemandem zu zeigen, wie sehr man ihn liebte – hatte Lela gesagt.
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