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Haut aus Seide

Titel: Haut aus Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Holly
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diese wunderschönen Bilder in deinem Studio? Die sollten irgendwo in einer Galerie stehen und verkauft werden.«
    Béatrix wand sich ein wenig verlegen. »Ich hatte tatsächlich schon eine Ausstellung.«
    »Wirklich?« Lela nahm ein zweites Gemälde in die Hand – ein strahlendes, sonniges Bild von Sacré-Cœur.
    »Ja, eine kleine. Am linken Seine-Ufer.« Sie steckte den Nagel ihres Daumens zwischen die Zähne. »Weil ich eine Clouet bin, waren auch ein paar Kritiker da.«
    »Und?« Lela musste ein Lachen unterdrücken. Béatrix wusste genau, dass sie von der Freundin kein Mitleid erwarten konnte.
    »Sie sagten, meine Arbeiten wären ›hübsch‹. Und ›romantisch‹.«
    »Ich nehme an, das war als Beleidigung gemeint. Aber sie sind hübsch und romantisch. Und sehr, sehr gut. Sieh doch mal das Licht auf diesem Bild, Bea. Und die Farben. Die singen ja förmlich von der Leinwand. Wenn die Touristen das sehen würden, hättest du die Teile mir nichts, dir nichts verkauft.«

    »Touristen«, wiederholte Béatrix spöttisch. Lela lachte und schlug ihr auf die Schulter.
    »Du kleiner Snob. Du malst eben das, was dir gefällt. Wieso solltest du also nicht an Leute verkaufen, denen gefällt, was du malst?«
    »Man hat mich eine Möchtegern-Wyeth genannt, Lela.«
    »Ich mag Andrew Wyeth. Er hat dieses Christina -Bild gemalt.«
    »Ja, Christinas Welt. Aber …«
    »Kein Aber. Du lästerst immer darüber, dass Philip einmal was auf die Mütze bekommen und dann aufgegeben hat. Willst du etwa sein wie er? Oder willst du sagen: ›Scheiß auf die Kritiker! Ich male das, was den Leuten gefällt! ‹«
    »Scheiß auf die Kritiker …«, murmelte Béatrix und hörte auf, ihren Daumennagel zu bearbeiten. Sie lächelte ihre Freundin an. »Wie konnte ich nur vergessen, wie gut du doch für mich bist?«
    »Ich weiß nicht recht.« Auf Lelas elfengleichem Gesicht machte sich ein Grinsen breit. »Vielleicht ist es einfach zu lange her, dass du mich angerufen hast.«
     
    Die beiden jungen Frauen bereiteten sich ein Mahl aus altbackenem Brot, frischem Pâté und Brie, der so weich und klebrig war, dass er an ihren Gaumen haften blieb. Sie spülten den Imbiss mit einem süßen Sauterne herunter, und je mehr sich die Flasche leerte, umso entspannter fühlten sich die beiden. Sie saßen an dem großen Tresen in Beas Küche. Kräuter baumelten über ihren Köpfen, und die Sonne fiel golden und warm durch das schmale Fenster. Die Wände waren mit Kacheln in der
blassgrünen Farbe von Wellenschaum gefliest, und alle Einbaugeräte, ja selbst die Schränke waren mit silbrigem Zink verkleidet. Der Raum sah alles andere als zeitgemäß aus und wirkte eher wie ein altmodisches Café. Lela schwenkte den Wein gedankenverloren auf dem Boden ihres Glases hin und her und betrachtete die schimmernden Schlieren. Die Brille hatte sie zurück auf den Kopf geschoben. Sie glitzerte in dem butterweichen Sonnenlicht, das in den Raum fiel.
    »Das Bild mit dem Mädchen, das sich aus dem Fenster lehnt, würde ich glatt kaufen«, sagte sie. »Es ist mindestens fünfhundert wert, aber ich würde es für zweihundertfünfzig nehmen.«
    Béatrix wusste genau, dass ihre Freundin sich weder den einen noch den anderen Betrag leisten konnte. »Entweder du nimmst es als Geschenk, oder du nimmst es gar nicht«, erklärte sie.
    Lela grinste frech. »Du fühlst dich echt schuldig, dass deine Mutter dir so unglaublich viel vererbt hat, was?«
    »Wenn man bedenkt, wie ich sie gehasst habe, ja.«
    »Hör schon auf.« Lela stützte sich auf die Unterarme. Ihre Brüste ruhten braun und prall in der Rundung ihrer T-Shirt-Schichten. Ihre ohnehin recht tiefe Stimme lallte schon etwas von dem Wein. »Du hast sie nicht gehasst. Sie war deine Mutter. Vielleicht habt ihr euch nicht immer vertragen, aber …«
    »Glaub mir«, unterbrach Béatrix, »was ich für sie empfand, war mehr als nur ein ›Nichtvertragen‹. Evangeline Clouet war keine gute Frau. Sie war oberflächlich und egoistisch. Sie hat immer nur an sich selbst gedacht, hat jeden terrorisiert, der für sie arbeitete, und hinter ihrem Rücken schlecht über ihre Freunde gesprochen. Und sie

    hat aller Welt weisgemacht, dass ein fleißiger englischer Junge – der sie übrigens angebetet hat – nichts weiter als ein Gigolo ist.«
    »Jetzt sei mal nicht ungerecht. Wie sollte deine Mutter denn Einfluss darauf haben, was die Leute denken?«
    »Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie deren Meinung sehr wohl beeinflussen können.

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