Haut aus Seide
hatte, dass sich ein brillanter junger Mann ihretwegen umbringt.«
»Das ist ja …«
»Verrückt? Ja, ich weiß. Aber vielleicht liegt das bei uns in der Familie. Man erzählt sich, dass Grand-mère damals mit den Nazis kollaborierte.«
Jetzt war Lela richtig schockiert. Sie schob die Weinflasche beiseite, setzte ihre Brille auf und blickte ihrer Freundin direkt ins Gesicht. »Ich dachte, das wäre nur so eine Geschichte.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe in ihrer Schmuckschatulle mal ein SS-Abzeichen gefunden – neben der Diamantbrosche, die sie von einem russischen Grafen geschenkt bekommen hatte.«
»Tjaaa. Vielleicht ist es besser, deine Wurzeln doch nicht so gut zu kennen. Wenigstens bist du nicht verrückt.«
»Manchmal fühle ich mich aber so«, sagte Béatrix mit hängendem Kopf.
»Du meinst wegen Phil?«
Béatrix zog eine Schulter in Richtung Ohr.
Lela – ebenso warmherzig wie hübsch – brauchte keinen weiteren Anstoß, um der Freundin etwas Trost zu spenden. Sie nahm Beas Hand und küsste sie. Wie schon so oft, musste Béatrix sich sehr über Lelas Leichtigkeit wundern. Für eine Frau, die unter so harten Bedingungen aufgewachsen war, stand sie schneller mit einer Umarmung parat als irgendjemand sonst in ihrem Bekanntenkreis.
»Bea. Liebes. Du musst aufhören, so von diesem Mann zu schwärmen. Zieh hinaus in die Welt und mach deine Erfahrungen.«
»Ich treffe mich doch mit anderen Männern. Sogar mit vielen anderen Männern.«
»In der Tat?« Lela zog eine Augenbraue hoch. »Und sind auch welche dabei, die gut im Bett sind?«
»Davon laufen nicht allzu viele rum.«
»Also, ich hätte da jemanden, den du dir ausleihen könntest. Um genau zu sein, kannst du ihn sogar behalten. Ich bin ziemlich durch mit ihm.«
Béatrix starrte ihre Freundin ungläubig an. »Du kannst doch nicht einfach deine alten Freunde weiterreichen.«
»Wieso nicht?« Lela knabberte an ihrem Brillenbügel und grinste. »Er versucht auch die ganze Zeit, mich mit seinem Boss zu verkuppeln. Er meint, ich wäre der Schlüssel, um ihm die oberen Etagen zu öffnen.«
»Klingt ja charmant.«
»Ist er auch«, beharrte Lela. »Davon abgesehen.« Sie warf die Haare nach hinten, und ihre blauen Augen tanzten förmlich vor Belustigung. »Andrew ist sehr urban. Gut aussehend. Fröhlich. Prima im Bett. Ein irrer Akzent. Du könntest heute Abend mit uns essen gehen, dann lernst du ihn kennen.«
Plötzlich fiel Béatrix die Verabredung mit ihrem Stiefvater ein, und ihr Magen revoltierte. »Ich soll heute Abend mit Philip zu Abend essen. Eigentlich hatte ich gehofft, ich könnte dich überzeugen mitzukommen. Ich möchte gerade nicht so gern mit ihm allein sein.«
»Das ist aber eine Premiere.«
Béatrix zog die Nase kraus und ignorierte die Frage, die in Lelas Augen geschrieben stand.
»Na gut«, gab die Freundin sich geschlagen. »Andrew und ich können ja beide mitkommen. Dann hast du die beiden Rittmeister gleich im direkten Vergleich vor dir und kannst sehen, ob du mit meinem mal eine Runde reiten möchtest.«
»Auf keinen Fall«, erklärte Béatrix fest entschlossen.
»Außerdem wird er mich bestimmt gar nicht wollen, nachdem er dich gehabt hat.«
»Sag das nicht, bevor du ihn nicht kennengelernt hast«, sagte Lela und lachte, als wäre sie in einen Witz eingeweiht, der einfach zu gut war, um ihn zu erzählen.
»Also, das nenne ich mal eine Frau«, sagte Andrew Laborteaux. Er traf die beiden Freundinnen auf dem Markt in der Rue Lepic. Die Auslagen waren um diese Tageszeit schon nicht mehr vom Besten, aber es gab noch eine gro ße Auswahl an Früchten und Gemüse. Andrew passte überaus gut in diese Umgebung. Er war ein großer, schlanker Mann mit strohblondem Haar und einem vom Lachen und der Sonne zerfurchten Gesicht. Er musste wohl zehn Jahre älter als Lela sein, doch das war keine besondere Überraschung. Das waren die meisten ihrer Liebhaber. Und Béatrix konnte nicht abstreiten, dass er etwas ausgesprochen Jungenhaftes an sich hatte. Sein Lächeln, das eine meterlange Reihe perfekter amerikanischer Zähne zeigte, zwang ihre Lippen geradezu, es zu erwidern.
Er war schlicht gekleidet – auch wenn die Qualität seiner Garderobe deutlich auf den Umfang seines Budgets schließen ließ. Die helle Leinenhose war gut geschnitten und das grüne Seidenhemd gebügelt. Die geflochtenen italienischen Halbschuhe waren genau das Richtige für das Kopfsteinpflaster. Um den Hals hatte er einen schwarzen Schlips
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