Haut aus Seide
Aber sie wollte gar nicht, dass die Welt ihren Ehemann respektiert. Respekt hatte ihrer Meinung nach nur eine Person verdient – und zwar sie selbst.«
Lela rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. »Also, ich weiß nicht, die Frau, die ich damals kennengelernt habe, schien überhaupt nicht neurotisch zu sein.«
»Sie wollte ja auch, dass du sie magst«, erwiderte Béatrix. »Sie hoffte, es würde mich verletzen, wenn sie dich besser behandelt als mich. Und schüttle bloß nicht so den Kopf. Du hast sie zwei Mal getroffen. Aber ich habe mit ihr zusammengelebt, ich weiß, wie sie war.« Ihre Stimme war deutlich höher geworden – zu hoch und zu spitz. Sie hätte sich nicht auf solch eine Diskussion einlassen sollen. Lela hatte die Feindschaft gegenüber ihrer Mutter nie so recht verstanden. Vielleicht lag es daran, dass ihre Freundin bei verschiedenen Pflegeeltern aufgewachsen war. Dagegen schien jede x-beliebige Mutter besser als gar keine zu sein. Vielleicht war es aber auch die Tatsache, dass Béatrix Evangeline wie keine Zweite durchschaut hatte. Aber sie wollte nicht streiten. Nicht mit Lela. Und schon gar nicht heute, wo sie beide sich so selten sahen. Lela war ihre beste Freundin – ihre einzige, enge Freundin. Und Béatrix konnte es sich nicht leisten, sie zu verlieren.
Ihr Gegenüber schien ihre Qualen zu verstehen, denn
ihr Ton wurde weicher. »Okay. Vielleicht verkläre ich das auch ein bisschen. Aber ich habe doch gesehen, was sie immer für einen Riesenwind gemacht hat, wenn ihr zusammen wart. Sie konnte zwar pingelig und herrisch sein, aber sie hat sich nie so benommen, als würde sie dich hassen.«
»Ich weiß nicht, ob sie mich gehasst hat. Aber ich weiß, dass ich sie gehasst habe.«
Lela zog die Brille vom Kopf und spielte daran herum. »Wenigstens hattest du Phil.«
»Ja.« Béatrix goss die letzten Tropfen Wein in die Gläser. »Philip hat sich immer bemüht, nett zu sein.«
Plötzlich entstand eine Stille im Raum. Lela wusste von ihrer Schwärmerei, auch wenn die beiden selten darüber sprachen, denn Béatrix fand die Situation einfach zu demütigend. Eigentlich müsste ich diese Schwärmerei doch mittlerweile überwunden haben , dachte sie wohl zum zehnmillionsten Mal. Doch als ihr jetzt wieder einfiel, was sie unter dem Schreibtisch getan hatte, wurde sie knallrot. Nicht mal ein ganzes Meer von Wein konnte den Geschmack seines pulsierenden Schwanzes auf ihrer Zunge auslöschen. Sie wusste wirklich nicht, wie sie ihm jetzt noch unter die Augen treten sollte.
Glücklicherweise waren Lelas Gedanken mittlerweile in eine andere Richtung abgedriftet. Sie legte ihre Brille zusammen. »Tut mir leid, dass ich nicht zur Beerdigung kommen konnte. Selbst wenn du sie gehasst hast.«
»War nicht so schlimm. Die Presse hat sowieso den reinsten Zirkus draus gemacht.«
»Das war echt merkwürdig mit diesem Stalker. Außerhalb Amerikas rechnet man ja gar nicht damit, dass so ein Verbrechen begangen wird. Ich zumindest nicht.«
Bei diesen Worten legte sich eine dunkle, traurige Last auf Béatrix’ Schultern. »Ich kannte ihn.«
»Wen? Den Stalker?«
»Ja.« Die junge Frau blickte für einen Moment in die Vergangenheit. Sie sah Juliens staubiges Atelier, die lehmverschmierten, großen Hände und die Augen, die von einer Leidenschaft funkelten, die niemand mit ihm teilen konnte. »Er war ein talentierter Bildhauer. Ich glaube, er war manisch-depressiv. Angeblich konnte er nicht arbeiten, wenn er seine Medikamente nahm. Als Mutter dann die Beziehung beendete …«
»Moment mal.« Lela riss die Augen auf. »Deine Mutter hat Phil betrogen?! Phil, das Zuckerstückchen?!«
»Ja. Julien brach völlig zusammen, als sie mit ihm Schluss machte. Aber sie hat ihn nur an der Nase rumgeführt. Zwei Mal habe ich das mitgekriegt. Einen Tag hat sie die Polizei angerufen, den nächsten dann Julien, um zu sagen, wie leid es ihr tut, dass es so enden musste. Die Polizei flehte sie förmlich an, endlich den Kontakt zu ihm einzustellen.« Béatrix zuckte mit den Schultern. Das Gefühl der Hilflosigkeit steckte ihr noch immer in den Knochen. Auch sie selbst hatte Eve inständig gebeten. Bitte, Maman , hatte sie gesagt. Du musst ihm eine Chance geben, über die Sache hinwegzukommen. Er ist zu zerbrechlich für deine Spiele. »Ich glaube, sie wollte ihn in den Abgrund stürzen. Nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass er sie mit hinunterziehen könnte.«
»Aber wieso?«
»Weil es fantastische Auswirkungen auf ihr Ego
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