Haut aus Seide
Jahr hatte Simon schon vorgehabt, einen Designer-Salon in seinen Kaufhäusern zu etablieren. Es sollte etwas sein, das sie ein für alle Mal von den gewöhnlichen Mittelklasseläden abgrenzte. Etwas, das mehr Prestige hatte als der Name Graves selbst. Allerdings wollte er sich dabei nicht der Gnade irgendeiner männlichen Diva aussetzen. Er wollte ein Label, das sie besitzen, kontrollieren und auf alle möglichen Artikel von Sonnenbrillen bis zu Bettwäsche knallen konnten, ohne irgendeiner Primadonna in den Hintern kriechen zu müssen.
»Das hat durchaus Potenzial«, sagte er wie zu sich selbst und wandte sich dann wieder Andrew zu. »Was ist mit dem Rest der Clouets? Irgendjemand, der den Witwer auffangen könnte, falls er abstürzt?«
»Es gibt da eine Tochter, die sich vielleicht als Haifisch erweisen könnte. Auf jeden Fall hat sie die Vorwitzigkeit
ihrer Mutter geerbt. Die sozialen Fähigkeiten allerdings nicht. Und sie scheint die Firma nicht leiten zu wollen. Möchte lieber malen.«
Andrews süffisantes Lächeln verleitete Simon zu der Annahme, dass er mehr als nur einen kurzen Blick auf die freche Tochter geworfen hatte. Vielleicht war sie ja die Quelle seiner Insiderinformationen.
»Na schön«, erklärte Simon schließlich ganz geschäftig, »die Finanzabteilung soll sich das ansehen. Wir müssen prüfen, ob es irgendwelche Schwachstellen gibt, die wir vielleicht ausnutzen könnten. Werden Sie mir bis nächste Woche einen vorläufigen Bericht erstellen?«
»Auf jeden Fall.« Andrew reichte ihm die Lederaktentasche. »Hier sind die Parfümproben. Und mein Bericht über die Reise.« Er legte den Kopf schief. »Sie sollten der New Yorker Filiale vielleicht mal selbst einen Besuch abstatten. Ich habe gehört, dass dort einer ihrer Schwachpunkte sein soll.« Sein Grinsen wurde breiter, als lache er über einen Insiderwitz. »Glauben Sie mir, Boss, Sie werden mir für diesen Tipp sehr dankbar sein.«
Simon hatte keine Ahnung, worauf sein Angestellter anspielte, nickte aber und zeigte in Richtung Tür.
»Gute Arbeit«, fiel ihm gerade noch ein zu sagen, als Andrew die Klinke niederdrückte.
»Ihr Lob ist mein schönster Lohn«, erwiderte sein Angestellter auf seine extravagante Südstaatenart.
Simon konnte nur den Kopf schütteln. Er würde diesen Mann niemals verstehen. Aber er leistete verdammt gute Arbeit.
Die Tür hatte sich noch keine fünf Minuten hinter Andrew geschlossen, als Diane mit nassen Haaren und zerknitterten
Kleidern aus dem Badezimmer kam. Mit gesenktem Kopf und ausweichendem Blick legte sie Simon einen kleinen weißen Umschlag auf den Schreibtisch.
»Hier«, sagte sie. »War sehr schön mit dir.«
Bevor er blinzeln konnte, war Diane fort.
Simon öffnete den Brief mit einem diffusen Gefühl von Unwirklichkeit.
Lieber Simon,
mir ist egal, was die Leute sagen – du bist einfach der Prinz unter den Männern. Das Problem ist nur, dass ich jetzt verlobt bin und dich, glaube ich, besser nicht mehr sehen sollte.
Ich lege einen Scheck für die nicht eingelösten Stunden der monatlichen Bezahlung bei. Danke für alles.
Von Herzen Diane
P.S. Ich hoffe, du findest eines Tages ein Mädchen, bei dem du nicht das Bedürfnis verspürst, es zu bezahlen.
Das nicht war zwei Mal unterstrichen und das »i« in Diane war als Herzchen gemalt. Die Kleine musste eindeutig an dem Stil ihrer Memos feilen, bevor sie sich einen Job suchte.
Aber was meinte sie mit »mir ist egal, was die Leute sagen«? Simon war doch sehr angesehen. Gut, vielleicht wurde er nicht von allen Menschen geliebt und tolerierte selbst nicht jeden, aber er war ein großzügiger Arbeitgeber und ein anständiger Mensch.
»Verdammt!«, stieß er hervor und starrte mürrisch auf den Brief. Diane war die problemloseste Geliebte gewesen, die er je gehabt hatte.
Er freute sich ganz und gar nicht darauf, einen Ersatz für sie finden zu müssen.
Sieben
Lela wohnte in Brooklyn im Loft eines umgewandelten Lagerhauses. Die Gegend auf der anderen Seite des East Rivers war zwar nicht gerade die beste, aber sie hatte hier eine Menge Platz, und die hübschen, ruhigen Brownstone-Häuser von Brooklyn Heights waren leicht zu Fuß zu erreichen. Und wenn sie sich so weit es eben ging über die Feuerleiter lehnte, konnte sie in der Ferne die Freiheitsstatue entdecken. Ein alter Freund hatte ihr eine teure Alarmanlage eingebaut, und sobald ihre Tür geschlossen und drei Mal abgesperrt war, fühlte sie sich auch nicht unsicherer als der Rest
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