Haut aus Seide
Lederaktentasche auf seinen Beinen fest.
»Tut mir sehr leid«, erklärte er. Seine Gesichtsfarbe hatte wieder ihren üblichen Ton angenommen, ganz wohl schien er sich aber immer noch nicht zu fühlen.
Simon tat die Entschuldigung mit einer Handbewegung ab und setzte sich in seinen Stuhl. Er kreuzte die behaarten Knöchel auf der Schreibtischunterlage und verschränkte die Hände vor dem Bauch. »Ich nehme an, Sie haben Neuigkeiten, die keinen Aufschub duldeten.«
Andrew starrte abwesend auf Simons Füße. »Sehr aufregende Neuigkeiten.«
»Sicher nicht halb so aufregend wie mein Erlebnis eben.« Simon überraschte sich selbst mit einem kleinen Kichern. Andrew hatte wirklich wie ein Fisch geglotzt. »Nein, nein. Keine Entschuldigungen mehr. Sie konnten ja eigentlich nichts dafür. Und ich bin sicher, das wird nicht noch mal vorkommen.«
»Ich hätte es ja über die Gegensprechanlage versucht, aber Mrs. Winters war nicht an ihrem Schreibtisch.«
»Mrs. Winters verlässt ihren Schreibtisch meistens, wenn mein Vier-Uhr-Termin eintrifft.«
Andrew blickte seinen Arbeitgeber erstaunt an. »Sie machen das jeden Tag?«
Doch Simon war nicht danach, sich über die Modalitäten seiner Bedürfnisbefriedigung zu unterhalten. Er nahm einen dicken, schwarzen Füllfederhalter zur Hand und drehte ihn zwischen den Fingern. Das entstehende Schweigen ließ Andrews Gesicht wieder etwas rötlicher werden.
»Geht mich nichts an, klar.« Der aufgeregte Mann nestelte am Verschluss seiner Aktentasche herum. »Aber diese Frau arbeitet doch sicher nicht hier, oder?«
Simons Kopfschütteln galt eher der Hartnäckigkeit von Andrew und nicht der Beantwortung seiner Frage. Für wie dumm hielt der Angestellte ihn eigentlich? Niemals würde er sich auf eine Affäre mit einer Untergebenen oder einer Geschäftspartnerin einlassen. Es gab nichts, was gute Arbeitsbeziehungen empfindlicher störte.
»Ihre Neuigkeiten?«, rief er Andrew in Erinnerung.
Der junge Mann strich sich das Haar zurück und wandte seine Konzentration wieder ganz auf das zu besprechende Thema. »Ich glaube, ich habe ein Parfüm für das Graves -Label gefunden. Von einem Familienunternehmen
in Grasse. Ich mache mir zwar immer noch Gedanken, ob sie in der Lage sind, kontinuierlich große Mengen zu liefern …«
»Davon ausgehend, dass die Nachfrage hoch ist.«
»Ja, davon ausgehend. Ich lasse gerade von den Jungs in der Finanzabteilung prüfen, ob wir eine Ausweitung der Produktionsanlagen finanzieren könnten. Die Qualität ihrer Düfte war weitaus höher als das, was die gro ßen Firmen mir gezeigt haben. Eine Beteiligung an der Firma wäre vielleicht eine gute Investition. Aber …« Er holte tief Luft und grinste.
Simon wusste, dass jetzt die wahren Neuigkeiten fällig waren.
»Ja?«, fragte er nur, damit Andrew das Überbringen der Nachricht voll auskosten konnte.
»Ich glaube, ich habe genau die Art Firma gefunden, von der wir neulich sprachen. Die Firma, von der wir hofften, dass sie den Graves -Kaufhäusern die Medienpräsenz verschafft, die sie brauchen.«
Simon schwang die Füße vom Schreibtisch und beugte sich interessiert vor. Andrews Augen glitzerten wie beim Eintritt in die gute Stube am Heiligabend. Auf Simons Nacken machte sich ein prickelndes Kribbeln breit. Andrew kam ihm so nahe, dass er den zitronigen Geruch seines After Shaves riechen konnte.
»Kennen Sie Meilleurs Amis ?«, fragte er.
»Das ist eine Kette exklusiver Boutiquen. Familienunternehmen. Gegründet nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Modehäuser wieder aufmachten. Ich glaube, sie haben einen Laden auf der Fifth, ganz in der Nähe von Cartier .«
Andrew nickte. »Ganz genau. Ich habe herausgefunden,
dass sie vielleicht zur Übernahme fällig sind. Evangeline Clouet, die Tochter des Gründers, ist vor Kurzem gestorben.« Er rollte mit den Augen. »War ein großer Skandal in Frankreich. Ihr Ehemann – ihr sehr viel jüngerer Ehemann – hat die Firma übernommen.«
»Und macht schlechte Arbeit?«
»Schlecht würde ich nicht sagen, aber er ist erst achtundzwanzig. Ein junges Fischchen in einem Haifischbecken. Ich habe mich mal mit den dortigen Bankiers unterhalten. Meilleurs Amis hat gerade einen Laden in Peking eröffnet. Es könnte sein, dass er damit seinen Kreditrahmen gesprengt hat.«
Simon klopfte mit der Spitze des Füllfederhalters gegen seine Lippen. Meilleurs Amis war zwar nicht so ein bekannter Name wie Chanel , aber die Firma war fast ebenso angesehen. Das ganze letzte
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