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Haut, so weiß wie Schnee

Haut, so weiß wie Schnee

Titel: Haut, so weiß wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Mister-jung-Geblieben hatte sich auf einen Drehstuhl gestellt, und der hat sich beim Runterspringen weggedreht.« Bei der Erinnerung daran musste Klara grinsen.
    »Und?«, fragte Charlie lachend.
    »Er ist auf dem Spanferkel gelandet! Bum! Ein dumpfer Aufprall. Fleisch auf Fleisch. Hat kurz gezischt, dann war das Feuer aus. Hat es mit seiner Wampe ausgedrückt.« Klara kicherte. »Glück für ihn, dass er keinen Gyrosspieß bestellt hat …« Sie prustete. »Er hat sich dann tausendmal entschuldigt. Vor allem bei der Küchenhilfe, die voll mit Fett war. Ich hab gesagt, ich muss mal auf die Toilette, um mir ein paar Fettspritzer abzuwaschen. Und dann bin ich mit der Mappe aus dem Zimmer gegangen. Einfach so. Er hat’s nicht gemerkt. Das Klo war gleich nebenan. Ich hab mich da eingeschlossen und wusste nicht weiter. Ich dachte, mit der ganzen Mappe komme ich nie aus dem Polizeipräsidium raus. Das merken die auf jeden Fall. Deshalb hab ich die wichtigsten Seiten rausgerissen, in meine Hosentasche gesteckt und die Mappe zurückgelegt.«
    Charlie schaute ihre Freundin bewundernd an.
    »Manchmal hat man keine Wahl«, sagte Klara.
    Charlie stimmte ihr zu. »Komm, wir sehen uns an, was du mitgebracht hast«, sagte sie und nahm vorsichtig die Blätter in die Hand. Es waren acht Seiten Computerausdrucke. Alles Berichte des Kommissars an den Abteilungsleiter. Um genau zu sein: gekürzte Vernehmungsprotokolle. Auf den letzten zwei Seiten hatte der Kommissar noch notiert, welche Maßnahmen er vorschlug und wie er den Fall einschätzte. Außerdem gab es noch ein Blatt mit den Personalien der Zeugen.
    Sie begannen mit den Protokollen.
    Joachim Mint, Vater des vermissten Jungen, 14.6. (Donnerstag), 21 Uhr. (Vernehmungsprotokoll, gekürzt.)
    Jonah ist blind und geht normalerweise nicht allein aus dem Haus. Jetzt ist es schon neun Uhr, und er ist spurlos verschwunden. Ich meine, wenn er irgendwo auf der Straße wäre: Das müsste doch auffallen. Ein blinder Junge allein! Aber niemand hat ihn gesehen. Wir machen uns solche Sorgen. Ich habe ihn heute Morgen in die Schule gefahren. Als meine Frau ihn am Mittag abholen wollte, sagte die Lehrerin, er sei gar nicht im Unterricht gewesen! Wir verstehen das nicht. Jonah wirkte in letzter Zeit so aufgeregt und ruhelos. Irgendetwas beschäftigte ihn. Und dann gab es auch noch eine merkwürdige Begebenheit. Vor ein paar Tagen ist mir ein Mädchen vors Auto gelaufen. Jonah war auch dabei. Zum Glück ist nichts passiert. Als wir weiterfuhren, fiel mir auf, dass ich das Mädchen schon einmal gesehen hatte. Sie war während eines Fußballspiels neben Wim Tanner, unserem Gärtner, im Fernsehen gewesen. Als ich meinem Sohn das sagte, war er ganz außer sich und wollte unbedingt, dass ich zu dem Mädchen zurückfahre und es anspreche. Aber wir haben sie nicht mehr gefunden.
    Martina Lindner, Mutter des vermissten Mädchen, 14.6. (Donnerstag), 22 Uhr.
    Jette wollte zu Anna ins Büdchen, um sich Süßigkeiten zu kaufen. Der Kiosk ist nur fünf Minuten von uns entfernt. Sie geht oft dorthin. Aber dann ist sie einfach nicht wiedergekommen. Ihre Freundin Klara hat bei uns auf sie gewartet. Die beiden wollten zusammen lernen. Wir haben dann irgendwann bei Anna angerufen. Aber da war Jette schon längst weg. Anna sagte, sie sei mit einem blinden jungen Mann fortgegangen. Wir haben keine Ahnung, werdas sein könnte. Wir verstehen das alles nicht. Wo ist sie bloß? Hoffentlich ist ihr nichts passiert. Können Sie sie suchen? – Nein, uns ist nichts aufgefallen. Jette war wie immer. Bitte, Sie müssen unser Kind finden.
    Carmen Serrano, Hausangestellte, hat die Vermissten als Letzte gesehen, 15.6. (Freitag), 10.30 Uhr.
    Ich habe Jonah und das Mädchen gestern Nachmittag zufällig auf der Straße getroffen. Es war vielleicht halb drei. Sie standen in der Beethovenstraße vor einem Kiosk. Ich habe in der Nähe einen Besuch gemacht. Jonah wohnt im Haus meines Arbeitgebers. Er ist der Sohn des Kochs. Ich kenne ihn gut (weint). Jonah ist blind. Ich habe die beiden gefragt, ob ich sie mit dem Auto mitnehmen soll. Sie wollten zur Uniklinik, um dort jemanden zu besuchen. Ich habe sie hingefahren. Mehr kann ich nicht sagen. Jonah und das Mädchen waren eindeutig verliebt. Sie haben sich zusammen auf den Rücksitz gesetzt und, na ja, miteinander rumgemacht. Sie waren in Partylaune. Ich sage es nicht gern, aber sie hatten auch getrunken. Also, ehrlich gesagt, rochen sie nach Schnaps. Das Mädchen erzählte etwas von

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