Haut, so weiß wie Schnee
und das gesamte Projekt war gefährdet, wenn er seinen Job verlor.
Ein Fenster mit dem Wort Fertig klappte auf dem Bildschirm auf. Saalfeld schloss die Augen, öffnete sie wieder und ließ sich die Details anzeigen: Sechs unbekannte Mutationen. Im ersten Moment war er erleichtert. Es gab also unbekannte Mutationen. Aber gleich sechs! Damit hatte er nicht gerechnet. Wieso hatte er das nicht in Betracht gezogen? Er würde Tests machen müssen. Richtige Forschungen unternehmen. Sollte er sich bei Kollegen Unterstützung holen? Er kannte sich mit Genen aus, aber ob sein Wissen ausreichen würde? Immerhin lag er gut in der Zeit. Heute war Dienstag, und Bergers Frist lief erst in neun Tagen ab. Und überhaupt, zum Teufel mit Berger! Wenn er die Formelerst einmal gefunden hatte, wäre er so oder so ein reicher Mann. Vorerst keine weiteren Mitwisser, entschied er. Zu heikel.
Das Ganze war ohnehin schon ziemlich riskant geworden. Wim und sein Kollege hatten es nur mit äußerster Mühe geschafft, die Jugendlichen wieder in das Verlies zu sperren. Und das auch nur, weil die Batterie der Fernbedienung aus dem Kontakt gerutscht war und das Mädchen die Tür nicht schließen konnte. Seither war niemand mehr am Verlies gewesen, und das würde auch so bleiben. Er hatte sowieso viel zu lange gezögert. Eigentlich hätte er die beiden Jugendlichen direkt aus dem Weg schaffen müssen, sobald er das Blut gehabt hatte. Aber man hatte ja auch Gefühle. Und dann auch noch den Sohn des Kochs, den er hatte aufwachsen sehen. Jetzt hatte er jedoch keine andere Wahl mehr, er musste die beiden loswerden. Und das Verlies war ein geeigneter Ort. Niemand würde die Jugendlichen je dort finden.
Die Dinge hatten ihre eigene Dynamik entfaltet. Zunächst hatte er sich nur eine Blutprobe von dem Mädchen besorgen wollen. Dann hatte er den Jungen mit einkassieren müssen. Schließlich hatte Jonah im Auto durchblicken lassen, dass er wusste, wer die Entführer waren, und da hatte er die Jugendlichen natürlich nicht mehr freilassen können. Aber jetzt musste er sich auf seine Forschungen konzentrieren.
Durst
Jonah stand auf, um sich zu bewegen. Seine Beine waren steif vom vielen Sitzen. Gleich mit dem ersten Schritt stieß er an eine leere Sprudelflasche. »’tschuldigung«, murmelte Jette, die auf dem Boden saß und wieder ganz in das Elektrizitätsbuch vertieft war. Seit ihrem missglückten Ausbruchsversuch brütete sie über dem Text und fragte sich, was sie falsch gemacht hatte. Warum hatte es nur einen kleinen Kurzschluss gegeben? Warum war der Entführer nicht richtig unter Strom gesetzt worden? Wie durch ein Wunder hatte Jette die Lampe wieder reparieren können. So hatten sie jetzt wenigstens Licht.
»Kein Problem mit den Flaschen«, sagte Jonah. Es war wirklich bemerkenswert, wie schlampig Jette war. Selbst die wenigen Gegenstände, die sie hier zur Verfügung hatten, reichten aus, um den Raum in ein heilloses Chaos zu stürzen. Wenn Jette sich zum Schlafen auszog, ließ sie ihre Klamotten immer dort fallen, wo sie gerade stand. Und wenn sie tagsüber die Isomatten an die Wand stellte, um etwas mehr Platz zu haben, ließ sie die Decken mit Sicherheit an verschiedenen Stellen im Raum zerknüllt liegen. Früher war Jonah auch unordentlich gewesen. Aber seitdem er blind war, räumte er alles akkurat auf. Sonst fand er nichts wieder.
Er fing mit ein paar leichten Turnübungen an, und sofort wurde ihm schwindelig. Sein Kreislauf machte nicht mehr richtig mit. Und das nach nur zwei Tagen im Verlies ohne ausreichend Wasser. Der Durst, den er inzwischen verspürte, hatte etwas Wildes, fast schon Animalisches an sich. Die Entführer hatten sie nach ihrem Ausbruchsversuch mit dreiWasserflaschen und vier Brötchen wieder eingesperrt. Die erste Flasche hatten sie noch in der Nacht getrunken. Aber bereits am nächsten Morgen war ihnen mulmig zumute gewesen, und seither behandelten sie das Wasser wie eine Kostbarkeit. Sie gönnten sich nur ein paar Schlucke am Tag, und das war zu wenig. Wenigstens war es im Verlies nicht so heiß wie im Tropenhaus. So würde ihr Körper nicht ganz so viel Wasser brauchen.
Am Tag nach ihrem Fluchtversuch hatten sie noch damit gerechnet, dass gleich die Tür aufgehen und irgendjemand Anweisungen brüllen würde. Aber es war niemand gekommen. Sie wussten nicht, ob das gut oder schlecht war. Die Entführer lechzten wahrscheinlich nach Rache. Es war der Blonde gewesen, der sie, noch deutlich mitgenommen, mit vorgehaltener
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