Haut
das Gesicht zur Seite, hob die Hände und zwängte sich in die Lücke zwischen Kühlschrank und Wand. Sie krümmte die Arme, damit ihre Hände nicht sichtbar waren, stand dann zitternd da und atmete flach durch den offenen Mund, weil ihre Rippen eingequetscht waren.
Jemand kam herein. Ein Mann. Sie hörte ihn atmen, als er das Durcheinander entdeckte. Er ging umher; die Scherben knirschten unter seinen Schuhen. Ungefähr einen Meter vor ihr blieb er stehen. Sie konnte einen Fuß erkennen; er steckte in einem sauberen weißen Turnschuh mit der Aufschrift NIKE. Es war lange still; sie hörte ihn nur atmen, schnell und schwer, als wäre er aufgeregt oder bestürzt.
Er verließ die Küche und ging ins Wohnzimmer, kehrte dann zurück in die Diele. Als sie sicher war, dass er sich im vorderen Teil des Hauses aufhielt, kam sie hinter dem Kühlschrank hervor, nahm die Tasche aus dem Backofen und schloss lautlos die Klappe. Sie wich den Scherben auf dem Boden aus, hob die Tasche auf die Arbeitsplatte und stemmte sich hinauf.
Die Schritte hielten inne. Er hatte sie gehört.
Sie zog den Vorhang weit auf und warf die Tasche aus dem Fenster.
»Hallo? Wer ist da?«
Sie schaute durch das Fenster nach unten. Warf einen Blick zurück zur Diele. Holte einmal tief Luft - und sprang.
64
Caffery verlagerte sein Gewicht am Boden. Ihm war kalt bis in die schmerzenden Knochen. Er hatte die Suche nach einem Ausweg aufgegeben. Wie lange würde es wohl dauern, bis Turnbull oder Powers merkten, dass er verschwunden war und sich nicht nur irgendwo herumtrieb? Wie lange würde es dauern, bis seine Spur sie zu Beatrice Foxton führte - zu der einzigen Person außer einer Telefonistin in der Zentrale, die wusste, dass er an diesem Morgen zur Klinik Rothersfield gefahren war? Einen Tag? Vielleicht länger, denn sie würden sein Telefon nicht orten können. Und wenn sie dann kämen, würde sein Auto nirgends zu sehen sein. Tanner hatte die Schlüssel genommen und dürfte es weggefahren haben. Und das bedeutete auch, dass er die Pistole gefunden hatte.
Aber er hatte nicht vor, sie zu benutzen. Caffery wusste, dass Tanner dafür zu clever war, und Tanner wollte, dass er so langsam wie möglich starb. Vielleicht wollte er sich damit selbst schützen: Er könnte dann behaupten, Caffery sei in die Sickergrube gefallen und verblutet. Vielleicht war es auch Sadismus, das Bedürfnis, sich ein endloses Sterben in der kalten, dunklen Grube auszumalen. Er war Arzt, und er wusste, dass die Beinarterien sich ins Fleisch zurückziehen würden, wenn man sie durchtrennte; das Blut würde gerinnen und Cafferys Bein heilen. Deshalb hatte er diese Perspex-Kanülen in die Arterien geschoben, damit das Blut weiter fließen konnte. Er wollte, dass Caffery verblutete.
Caffery hatte Glück gehabt - die Kanülen waren herausgerutscht -, aber Tanner würde irgendwann zurückkommen, um nach ihm zu sehen.
Von oben hörte er ein Geräusch. Einen Schritt. Etwas Schweres auf dem Deckel. Caffery erstarrte. Er kämpfte den Impuls nieder, den Scheißkerl anzuschreien. Ihm war klar, was er tun musste: Er musste Tanner glauben lassen, er sei tot. Er stand auf und ging zu der Leiter an der Wand; er atmete flach und leise.
Eine Zeit lang blieb es still, nichts geschah. Vielleicht hatte er sich das Geräusch nur eingebildet. Er wollte sich gerade hinsetzen, als er wieder einen Schritt hörte. Einen dumpfen Schlag, gefolgt von einem metallischen Dröhnen. Jemand kontrollierte den Riegel an dem Schachtdeckel.
Er packte die Leiter und stieg ein paar Sprossen hinauf, bis er sich mit Nacken und Schultern an die Decke pressen konnte und sein Kopf nur ein paar Fingerbreit von dem Deckel entfernt war. Er klemmte sein verletztes Bein hinter die Leiter und hing zähneknirschend da, die eine Hand ausgestreckt. Er konnte nicht unten auf dem Boden warten, bis der Scheißkerl hereinkam, denn dann hätte Tanner leichtes Spiel. Er hatte nur eine einzige Chance: Er musste hinaus und ihn bei den Hörnern packen. Wenn er Tanner rechtzeitig erwischte, könnte er ihm den Schachtdeckel an den Kopf schmettern. Ihn überraschen.
Der Riegel am Deckel wurde geöffnet. Caffery wartete zitternd in seiner Fledermaushaltung und hielt die Fäuste vor das Gesicht. Adrenalin schoss durch seinen Körper. Er war bereit. Komm nur. Komm.
Ein paar Augenblicke blieb es still, dann hörte er erneut Schritte. Tanner ging weg. Er hatte den Riegel zurückgeschoben, aber den Deckel nicht abgenommen. Caffery
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