Haut
bemühte sich, langsam und gleichmäßig zu atmen, während er überlegte, was Tanner jetzt tat. Was hatte er vor?
Wieder war kein Ton zu hören. Caffery zählte bis hundert und lauschte. Die Stille zog sich in die Länge, sie stieg aus der Sickergrube hinauf, am Swimmingpool vorbei, hinunter und weiter bis zur Landstraße. Er zählte noch einmal bis hundert, und dann lockerte er seine Haltung und atmete wieder normal.
Er ließ sich von der Leiter fallen und landete auf seinem gesunden Bein. Er sah auf die Uhr und dann zum Deckel hinauf.
Was macht er da? Was will er, was soll ich tun?
Vielleicht hatte Tanner es sich anders überlegt, wollte ihn doch lieber nicht umbringen, weil er wusste, wie tief er sich in die Scheiße reiten würde, wenn er auch noch einen Polizistenmord auf seine Liste setzte. Vielleicht wartete er draußen, um sich zu entschuldigen. Nein. Natürlich nicht. Caffery wusste, was gespielt wurde: Er sollte herausgelockt werden. Tanner hatte eine Waffe und erwartete ihn draußen.
Aber wenn es so sein sollte, dann sollte es eben so sein. Ganz einfach.
Er ließ den Sekundenzeiger fünfmal um das Zifferblatt kreisen und zog sich erneut an der Leiter hinauf. Dann holte er tief Luft und stemmte sich unter den Deckel.
Der Deckel flog auf und rollte mit ohrenbetäubendem Scheppern davon. Caffery hielt sich keuchend an der Leiter fest, den gesunden Fuß um die Sprosse geschlungen, und hob eine Hand, um abzuwehren, was immer da geflogen kommen mochte.
Der Himmel über ihm war blau und völlig wolkenlos. Er wartete ab und stellte ein paar Berechnungen an. Der Swimmingpool war ungefähr hundert Meter weit entfernt. Am tiefen Ende stand ein Pumpenhaus, wenn er sich recht erinnerte. Und der Wartungsschuppen mit der Stufenleiter. Dort würde sich etwas finden; eine Säge, eine Axt vielleicht.
Drei Minuten verstrichen. Dann schnellte er sich mit seinem gesunden Bein in die Höhe, zog sich schwerfällig aus dem Loch und rollte sofort zur Seite weg. Mit gesenktem Kopf hastete er über den Rasen, hechtete hinter das Pumpenhaus und kauerte sich dort zusammen; er presste beide Hände fest an sein Bein, um zu verhindern, dass die Wunde noch einmal aufbrach und blutete.
Es war heiß wie im August, nichts bewegte sich, und alle Umrisse verschwammen im Hitzedunst. Als der Schmerz nachließ, richtete er sich vorsichtig auf und schaute zum Grundstück. Tanners Wagen parkte in der Einfahrt und schmorte in der Sonne. Cafferys eigenes Auto stand wie erwartet nicht mehr da, wo er es abgestellt hatte. Wer vor dem Haus stand, konnte es nicht mehr sehen, aber von hier aus war es leicht zu entdecken: Mit einer Plane bedeckt, parkte es mit dem Kühler vor dem Tor einer verfallenen Scheune.
Eilig humpelte er hinüber, schlug die Plane zurück und rüttelte an den Türen. Sie waren verschlossen. Durch das Fenster sah er das offene Handschuhfach. Er hatte recht gehabt: Der Scheißkerl hatte die Pistole genommen.
Es ging besser, wenn er sein verletztes Bein beim Gehen festhielt. Er umklammerte es mit beiden Händen und schleppte sich über den Rasen vorbei am Pool und zum Schuppen. An einem magnetischen Werkzeughalter fand er einen Meißel und einen Schraubenzieher. Keine Axt.
Er ging weiter zum Haus. Die Tür stand offen. Mit der Spitze seines Zeigefingers schob er sie zurück. Lautlos schwang sie auf, und sein Blick fiel in das Büro, in dem Tanner ihn angegriffen hatte. Es war leer. Die Vorhänge waren halb geschlossen, die Kekse zur Seite gefegt und die breiten Blutstreifen auf Boden und Sofa hastig weggeschrubbt worden. Er ging hinein, blieb stehen und schaute sich um. Wo hatte Tanner sich versteckt?
Er hinkte zum Schreibtisch, zog die Schubladen auf und durchstöberte sie: Büroklammern, Stifte, alte Visitenkarten. Er richtete sich auf und wandte sich den verglasten Bücherschränken zu. In einem stand eine Andenkenschatulle aus gepunztem Leder. Er nahm sie heraus und klappte sie auf. Auf einer Plakette unter dem Deckel stand: »Für Georges, mit Liebe und Hochachtung von den Mitarbeitern und Patienten der St. Hilda's Clinic, 1998.« In blauen Samt gebettet lagen dort sechs vergoldete chirurgische Instrumente: ein Hämostat, eine Pinzette, eine Schere und drei Skalpelle. Caffery nahm die Skalpelle heraus und steckte sie in die Tasche zu dem Meißel, stellte die Schatulle wieder in den Schrank und ging zurück in den Korridor.
Die Tür zu dem Raum mit den Kühlschränken war geschlossen. Er legte ein Ohr an das Holz,
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