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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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atmete einmal tief durch und drehte dann behutsam den Türknauf. Nur einmal. Dann lauschte er wieder.
    Nichts. Nur das leise elektrische Summen eines Kühlschranks und das Ticken einer Uhr.
    Er umfasste ein Skalpell fest mit einer Hand. Der Meißel ragte griffbereit aus seiner linken Tasche. Er versetzte der Tür einen Stoß; sie flog auf und prallte innen gegen die Wand. Er wich zurück in den Korridor, drückte sich mit dem Rücken an die Wand und hob das Skalpell.
    Wieder geschah nichts. Er holte tief Luft, hechtete mit einem Satz durch die Tür und drehte sich blitzschnell einmal um sich selbst. Dann warf er einen Blick zur Decke - von dort war er einmal überrascht worden -, und mit dem nächsten Schritt war er an der Wand und lehnte sich mit dem Rücken an sie.
    Das Licht war aus und der Raum leer. Aber die Tür gegenüber stand offen. Von ferne hörte er Vogelgezwitscher. Er ging hin, zog die Tür ganz auf und wartete ab, ob das Geräusch irgendeine Reaktion von oben hervorrufen würde. Aber nichts passierte. Tanner wollte, dass er hier war. Er wollte, dass er sah, was er getan hatte. Aber wo steckte er? Vielleicht befand er sich überhaupt nicht im Haus. Vielleicht sollte dies nur der Anfang eines raffinierten Spiels sein.
    Caffery ging im Raum herum und sammelte Waffen: ein langes Schereisen und die Ahle, die Tanner benutzt hatte. Ein grauer Stofffetzen von seinem Hosenbein hing immer noch daran. Er schob die Ahle in den Ärmel und das Schereisen in die Tasche. Bewaffnet wie ein Apache-Kampfhubschrauber stieg er leise die Treppe hinauf. Konzentriert achtete er darauf, dass die Stufen nicht knarzten. Sein Bein blutete fast nicht mehr, aber als er oben angekommen war und sich umdrehte, entdeckte er doch noch einen oder zwei dunkle Blutflecken. Die Spurensicherung würde ihm dankbar sein - falls er überlebte und falls sie je herausfinden sollten, was es mit diesem Haus auf sich hatte.
    Die Treppe endete oben an einer Tür, und auch sie stand einen Spaltbreit offen. Er drückte mit der Spitze des Schereisens dagegen, und sie öffnete sich mit trägem Knarren. Kaum hatte er gesehen, was vor ihm lag, trat er einen Schritt zurück und riss das Schereisen hoch.
    Es war ein Korridor, genau wie der untere, bis auf ein Detail: Ungefähr acht Schritte vor ihm, dicht vor der hinteren Tür, saß Tanner mit dem Rücken an der Wand.
    Er kehrte Caffery sein Halbprofil zu und hatte ein Bein über das andere geschlagen. Er trug jetzt ein weißes Hemd und einen beigefarbenen Reisemantel, der über die Schultern heruntergezogen war. Die Caffery zugewandte Hand steckte in der Tasche, die andere lag unsichtbar neben seinem Bein. Dort dürfte auch die Pistole sein. Als die Tür zur Treppe aufging, drehte er sich nicht sofort um, sondern starrte weiter mit leerem Blick aus dem Fenster. Das war seine Art, dachte Caffery. Er saß da und wartete auf seine Beute, ein kleines Lächeln im Gesicht. Eine Schlange in ihrem Loch. Er war clever genug gewesen, um Lucy Mahoney umzubringen. Und Susan Hopkins. So clever, dass er beinahe davongekommen wäre.
    Mit dem Rücken zur Wand blieb Caffery stehen. Außer Reichweite. »Zeigen Sie mir Ihre Hände.«
    Tanner reagierte nicht.
    »Haben Sie nicht gehört? Zeigen Sie mir Ihre Hände!«
    Tanner ließ die rechte Hand aus der Tasche gleiten; sie fiel schlaff auf den Boden, die Handfläche nach oben gewandt. Sie war leer. Dann hob er die linke hinter dem Bein hoch, nur ein paar Zentimeter. Sie hielt die Hardballer umfasst. Aber die Waffe war nicht auf Caffery gerichtet. Sie hing herab, baumelte eine Sekunde lang schlaff in seinen Fingern und fiel dann klappernd zu Boden. Sie landete an der Wand, nur einen Schritt weit von Caffery entfernt.
    Tanners Blick folgte der Pistole, aber er versuchte nicht, sie aufzuheben.
    Caffery schaute sich im Korridor um, sah die Fenster und die Tür am anderen Ende. Was sollte hier passieren? Die Tür da hinten - war sie abgeschlossen? Sein Bild wanderte zur Pistole. »Was immer Sie sich ausgedacht haben, es wird nicht klappen«, sagte er. »Sie werden nicht bestimmen, wie das hier endet. Das tue ich.«
    Tanner atmete geräuschvoll aus. Er drehte den Kopf kaum merklich herum und starrte Caffery an. Er war bleich, und seine Lippen sahen schmerzhaft geschwollen aus.
    Caffery runzelte verwirrt die Stirn. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er trat einen Schritt vor, hob die Pistole auf und richtete sie auf Tanners Kopf. Tanner bewegte sich immer noch nicht. Allenfalls hing

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