Haut
»Zumindest bei diesem Handgelenk. Rechts sieht es nicht so toll aus - eher so, wie man es erwarten würde. Die Wunde klafft; der Schnitt hat das volare Karpalligament durchtrennt und das transversale Karpalligament und den Flexor digitorum freigelegt.«
»Neben der Leiche wurde ein Tablettenröhrchen gefunden«, erklärte der DI. »Temazepam. Und ein Teppichmesser.«
»Teppichmesser passt. Für das hier muss sie eine montierte Klinge benutzt haben. Wenn es nur eine Rasierklinge gewesen wäre, hätten bei dem Druck, der nötig war, Schnittwunden an den Fingern zurückbleiben müssen...«
Erst nach ein paar Augenblicken merkte Caffery, dass sie aufgehört hatte zu sprechen. Er blickte auf und sah, dass sie ihn stirnrunzelnd anstarrte. Sie ließ Lucy Mahoneys Hand sinken, kam um den Tisch herum und blieb so dicht vor ihm stehen, dass sie mit ihm reden konnte, ohne dass die anderen sie hörten.
»Jack«, sagte sie leise. »Ich war höflich zu Ihnen, habe Ihnen keine Fragen gestellt und mich nicht beschwert, weil Sie sich hier hereinmogeln. Aber wenn Sie etwas suchen, warum sagen Sie es mir nicht einfach?«
Mit einem kurzen Blick zu dem DI richtete er sich auf und flüsterte dicht an ihrem Ohr: »Kämmen Sie ihr Haar, Beatrice. Tun Sie das? Kämmen und waschen Sie es. Stellen Sie fest, ob es geschnitten wurde.«
»Was heißt >geschnitten Ob sie beim Friseur war?«
»Abgeschnitten, mit einem Messer oder einer Schere. Abrasiert vielleicht.«
Sie sah ihn lange und verwundert an und drehte sich dann zu einem der Assistenten um. »Fester? Kämmen Sie ihr das Haar, Schatz. Und spülen Sie es durch.«
Der Mann gehorchte. Er fuhr mit einem Kamm durch Lucy Mahoneys Haar und inspizierte die kleinen Schmutzkrümel, die auf das daruntergehaltene Papier fielen. Er legte das Papier auf den Wagen mit den gesicherten Beweismitteln und spülte die Haare mit einem kleinen, am Obduktionstisch befestigten Schlauch durch.
Beatrice und Caffery beugten sich über den Kopf. Im gereinigten Zustand waren Lucy Mahoneys Haare rötlich braun und hingen in langen, feuchten Locken herunter. Nichts ließ erkennen, dass Büschel davon abgeschnitten oder abrasiert worden waren.
»Nicht das, was Sie erwartet haben?«, fragte Beatrice.
»Danke, Beatrice.« Caffery zog die Handschuhe aus und wandte sich zur Tür. »Ich werde mich bemühen, Ihnen nicht noch mal den Tag zu verderben.«
11
Flea war klein, aber sie beherrschte ihren Körper. Mit der Combathose, dem sauberen weißen T-Shirt und der dunklen Sonnenbrille vor den rotgeränderten Augen strahlte sie Autorität aus, als sie jetzt in der Einfahrt stand und sie versperrte. Als der Taxifahrer sie sah, bremste er sofort. Sie hob die Hand und ließ sich auf den Rücksitz fallen. Vorläufig, dachte sie finster, würde niemand mit dem Wagen bis ans Haus fahren.
Es war ein warmer Nachmittag, und der Fahrer hatte die Klimaanlage eingeschaltet, aber schon nach ein paar hundert Metern fing er an zu schnuppern. Flea saß wie versteinert auf dem Rücksitz; sie hatte die Arme verschränkt und die Füße fest auf den Boden gestellt; sie hob den Blick und bemerkte, dass er sie im Rückspiegel anschaute. Er schnüffelte noch einmal, und mit misstrauisch zusammengekniffen Augen versuchte er, im Spiegel ihre Kleidung zu sehen. »Haben Sie was Schönes vor?«, fragte er. »Irgendwas Schönes an diesem schönen Tag?«
»Nein.« Sie öffnete ihr Fenster, um Luft hereinzulassen. »Nichts Schönes. Ich will zu meinem Bruder.«
Sie zog das Handy aus der Tasche. Sie hatte jetzt schon sechsmal versucht, Thom anzurufen, war aber immer gleich auf der Mailbox gelandet. Es hatte keinen Sinn, es noch einmal zu versuchen. Sie könnte Kaiser anrufen, den ältesten Freund ihres Dad, aber der hatte nie viel für Thom übriggehabt. Außerdem hatte sie ihm in den letzten Tagen genug zugesetzt. Sie ließ das Telefon in den Schoß sinken und lehnte sich zurück. Die Luft, die hereinwehte, duftete süß und warm nach Butterblumen, und ein Hauch des Westens lag darin, ein Hauch des Meeres draußen hinter Bristol und Wales. Sie kannte diese kleinen Landstraßen von Kindheit an. Hier war sie aufgewachsen, mit dem Blick auf die sieben heiligen Hügel und die georgianischen Stadthäuser von Bath, die sich zwischen sie schmiegten. Sally-in-the-Wood lag dahinter in der Ferne und noch weiter hinten das Tal des Avon.
Sie dachte an Thom und daran, dass alle sich schon in seiner Kindheit Sorgen um ihn gemacht hatten. Er war
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