Haut
und starrte auf seine Hände, als könnte er dort eine Antwort finden. Flea strich sich müde mit den Fingern über das Gesicht. »Hör zu. Hör jetzt wirklich gut zu. Ich würde alles für dich tun, weil du mein kleiner Bruder bist. Aber ich kann dir nicht das abnehmen, was du selbst tun musst.« Sie beugte sich vor. »Du wirst mich jetzt hinbringen. Hast du gehört? Hast du verstanden?«
Er antwortete nicht. Aus der Diele kam ein Geräusch; jemand schloss die Haustür auf.
»Mandy«, flüsterte er. »Schnell.«
Flea seufzte. Sie stand auf und blieb mit verschränkten Armen stehen, während Mandy sich in der Diele bewegte; sie legte Schlüssel auf den Tisch und blätterte im Poststapel. Dann kam sie ins Wohnzimmer und blieb stehen, als sie Flea und ihr verkniffenes Gesicht sah.
Mandy war ein paar Jahre älter als Thom - eine kleine, gedrungene Frau, die schlammfarbenes Leinen und eine Menge indischen Schmuck bevorzugte. Heute trug sie eine olivgrüne Jacke und eine weiße Hose. Ihr kurzes Haar, zu einer Ponyfrisur geschnitten, war tief dunkelrot, beinahe violett gefärbt und umrahmte das runde Gesicht. In einer Hand hielt sie einen halb offenen Rucksack, aus dem Papiere und Akten ragten. Sie stellte ihn auf den Boden und fing langsam an, ihre Jacke aufzuknöpfen. Ihr wachsamer Blick wanderte von Flea zu Thom.
»Okay«, sagte sie schließlich. »Ich komme in einem ungünstigen Augenblick.«
Einen Moment lang war es still. Thom fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Bei all seiner Zurückhaltung war er nie mutig gewesen. Er hatte schreckliche Angst vor Mandy, und das wusste sie. Sie beherrschte ihn, ließ ihn nie aus den Augen und verlangte, dass er kochte und putzte. Und sie hatte eine Menge von seinem geerbten Geld ausgegeben und damit eine experimentelle Theatergruppe in Easton unterstützt. Flea und sie hatten einander meist wenig zu sagen.
»Mandy, ich wollte gerade gehen. Thom, du rufst mich an, wenn du es dir überlegt hast, ja?«
Er starrte sie an. Die Haut um seinen Mund herum wirkte bläulich.
»Thom?«, wiederholte sie bedeutungsvoll. Die Trance fiel von ihm ab. »Ja«, murmelte er gehetzt. »Ich rufe dich an. Später. Ich schwör's dir.«
12
Ein Mann saß neben der Tür im Warteraum vor dem Obduktionssaal. Er hob die Hand, als Caffery herauskam. »Hi.«
»'n Abend.« Caffery ging weiter und zog sein Telefon aus der Tasche. Er wollte hören, ob Powers sich wegen des Falls Kitson noch einmal gemeldet und gemeckert hatte, aber er wollte auch wissen, ob Flea auf seinen Anruf reagiert hatte. Es gefiel ihm, wie sie ihn auf dem Parkplatz angesehen hatte. Etwas in ihm hatte dabei leise nachgegeben. Es war ein gutes Gefühl - ein sauberes, lockeres Gefühl, wie es sich manchmal beim ersten Drink des Tages einstellte.
»Entschuldigen Sie, ich muss mit Ihnen reden.«
Caffery blieb stehen und drehte sich um. Der Mann hatte sich erhoben. Er war groß, hatte starke Hände, blank polierte Schuhe und sauber gekämmtes braunes Haar. Zu braun. Er schien mit etwas Farbe nachgeholfen zu haben.
»Gibt es was Neues?«
»Was Neues?«
»Über Lucy. Sie waren doch gerade da drin, oder?«
»Wer sind Sie?«
»Colin Mahoney. Das ist meine Frau da drin. Meine Exfrau, aber sie hat meinen Namen behalten. Die haben gesagt, sie hat sich umgebracht. Stimmt das? Sagt der Arzt das auch?«
»Ihre Angehörigenbetreuerin wird mit Ihnen darüber sprechen. Ich glaube, sie ist schon unterwegs.«
»Meine was?«
»Haben Sie keine Angehörigenbetreuerin? Eine Polizistin, die mit Ihnen Kontakt aufgenommen hat, als Lucy vermisst gemeldet wurde?«
»Oh. Die.« Colin wischte sich über die Stirn. »Tut mir leid - aber ich hatte kein großes Zutrauen zu ihr. Sie hat mich heute nicht mal angerufen. Und jetzt, nehme ich an, haben sie Lucy da drin schon aufgeschnitten.«
»Wenn Ihre Betreuerin kommt, kann sie mit Ihnen reden. Ich darf es nicht.«
»Wer sind Sie denn?«
»DI Caffery.« Er zeigte seinen Ausweis vor, ohne die Worte »Major Crime Unit« auszusprechen.
»Okay - DI Caffery. Sagen Sie's mir. Hat sie sich umgebracht?«
»Ich kann Ihnen diese Frage nicht beantworten.«
»Doch, das können Sie.«
Caffery steckte den Ausweis seufzend wieder ein. »Es ist nicht mein Fall, aber wenn er es wäre, würde ich Ihnen in diesem Augenblick wahrscheinlich das Gleiche sagen wie das, was mein Kollege da drin sagen wird, wenn er herauskommt. Und was Ihre Betreuerin sagen wird.«
»Und das wäre?«
»Dass wir Ihnen vor der
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