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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Platz. Das Zimmer spiegelte sich in der blitzblanken Bildröhre des Fernsehers. Ganz anders als in Mums und Dads ungepflegtem Haushalt. Thom war nicht wie die anderen Marleys.
    Als er sah, dass sie nicht gehen würde, folgte er ihr.
    »Setz dich hin«, forderte sie ihn auf.
    Gehorsam setzte er sich auf die Kante des Sessels. »Und? Wirst du mich in die Pfanne hauen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich blöd bin. Weil ich 'ne Schwäche für dich habe, obwohl ich mich einen Dreck für dich interessieren sollte, du nutzloses Stück Scheiße.«
    »Das hab ich verdient.«
    »Ja. Du kapierst ja nicht mal, was für ein riesengroßes Fass du da aufgemacht hast.«
    Er rutschte auf dem Sessel hin und her und wich ihrem Blick aus. Er trug seine schicke Cordhose und ein kariertes Hemd unter einem schlichten braunen Pullover. Er hatte sehr blonde Haare und ein sehr blasses Gesicht, seine Ohren standen gerade so weit ab, dass er ein bisschen wie ein kauziger Oberschüler aussah. Man konnte sich um nichts in der Welt vorstellen, dass er - wenn auch nur versehentlich - eine Frau umgebracht und dies dann verheimlicht hatte. Dass er sie kaltblütig aufgehoben, in den Kofferraum gepackt hatte und mit dem Wagen dann zu Flea gefahren war.
    »Hast du sie gekannt?«
    »Ich sage doch, sie ist mir einfach vor den Wagen gelaufen. Ich bin gefahren, und im nächsten Moment war alles schon vorbei. Dann bin ich in Panik geraten, Flea. Es war die reine Panik.«
    »Aber du weißt, wer sie ist, oder?«
    »Ich hab die Nachrichten gesehen. Jeden Tag.«
    »Dann weißt du, dass sie nicht aufhören werden, sie zu suchen. Nicht bis zum Jüngsten Tag.«
    »Das weiß ich.«
    Flea seufzte. »Ich kann nicht glauben, dass wir dieses Gespräch führen.«
    »Ich hab keine Ahnung, was ich tun soll. Nicht die geringste Ahnung.«
    Sie hatte einen Geschmack im Mund, den sie vielleicht nie wieder loswerden würde; so jedenfalls kam es ihr vor. Sie setzte sich ihm gegenüber auf das Sofa, verschränkte die Arme und sah ihn fest an. »Okay. Also. Wie gesagt, ich werde nicht zur Polizei gehen.«
    »Nicht?«
    »Nein. Aber du wirst es tun.«
    Thom ließ sich in den Sessel zurücksinken und atmete aus.
    »Hör zu.« Sie hob die Hand. »Ich erinnere dich jetzt daran, was passiert ist, okay? Du hast Depressionen. Seit Mum und Dad tot sind, geht es dir nicht gut. Es gibt Ärzte und Krankenakten, die das belegen können.«
    »Es geht mir besser, seit ich mit Mandy zusammen bin. Es ist immer besser geworden.«
    »Du hattest Depressionen. Und an dem Abend hast du dir mein Auto ausgeliehen, weil dir einfach alles zu viel geworden war. Du wolltest irgendwohin fahren, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Du warst nicht betrunken, aber du hast geweint. Das gibst du zu. Du warst sogar hysterisch. Du hast auf der Straße etwas angefahren. Im ersten Moment dachtest du, es sei ein Tier, aber als du dann die Zeitungen gelesen hast, fingst du an, dich zu fragen, ob...«
    »O Gott.«
    »Thom. Es geht nur so. Deine Papiere sind alle in Ordnung, oder? Dein Führerschein?«
    »Ja.«
    »Meine Versicherung tritt auch ein, wenn du fährst, und der Wagen war völlig okay; die Hauptuntersuchung war erst vor einem Monat. Wir besorgen ein psychiatrisches Gutachten, plädieren auf verminderte Schuldfähigkeit oder krankhafte seelische Störung, oder wie immer man das heute nennt, und kein Richter in diesem Land würde dich einfach verknacken. Eher werden sie dich in die Psychiatrie einweisen, und da wird man dich beobachten, bis irgendwann die Sonne untergeht und das System dich wieder ausspuckt.«
    Thom hob die schmalen Hände und massierte sich die Schläfen. Die Adern dort schimmerten blau durch die Haut.
    »Als Erstes müssen wir die Leiche zurückbringen.«
    »O Gott, bitte, nein. Nicht das.«
    »Wir bringen sie dahin zurück, wo der Unfall passiert ist. Dann lassen wir sie zwei Tage liegen, damit die Tiere sich damit befassen können. Wir müssen bestimmte Indizien vernichten und andere schaffen. Und einstweilen lässt du dich in die Klinik einweisen.«
    »In die Klinik?«
    »Wir machen daraus einen Fall für die Psychiatrie. Wir werden ein bisschen recherchieren, wie das am besten geht. Aber zuerst bringen wir die Leiche zurück.« Sie stand auf. »Jetzt sofort. Wir nehmen dein Auto. Du musst mir zeigen, wo es war.«
    Er rührte sich nicht.
    »Sie muss zurück an den Ort, wo es passiert ist. Und die Spurensicherung wird feststellen, dass es ein Unfall war.«
    Er schüttelte den Kopf

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