Haut
verlagerten die Leiche so, dass das, was von Lucys Nacken übrig war, auf dem Block lag. Beatrice ging langsam um den Tisch herum und sprach dabei ins Mikrofon. Ab und zu beugte sie sich herunter und inspizierte einen Bereich, der ihre Aufmerksamkeit erregte. »Die Verstorbene trägt einen langen grünen Rock - eine Art Samt -, eine Bluse mit Blumenmuster, einen gestreiften Wollpullover, eine gestreifte Strumpfhose und Schnürstiefel, ebenfalls gemustert. Die Kleidung wurde fotografiert und registriert; also werde ich sie jetzt entfernen.«
In aller Ruhe schnitt sie den Rock auf und schälte ihn dort herunter, wo er an der Haut klebte. Dann öffnete sie die durchfeuchtete Bluse. Um den BH zu entfernen, benutzte sie einen Haken; er hatte sich tief ins Fleisch eingegraben. Unter der Kleidung wirkte Lucys Haut anders; sie war nicht schwarz und von Maden bedeckt, sondern eher hart wie Seife und blau wie ein Entenei. Die aufgeschnittene Kleidung wurde an den Leiter der Spurensicherung übergeben, der jetzt darauf achtete, dass jedes einzelne Stück ordnungsgemäß verpackt und etikettiert wurde. In einer Tasche befand sich lediglich ein Schlüsselbund, sonst nichts. Keine Handtasche, kein Geld, kein Make-up.
»Wo wurde sie gefunden?«
»An einem Bahndamm.«
»In der Stadt?«
»Auf dem Land.«
»Sie hat's gut überstanden«, stellte Beatrice fest. »Ist nicht allzu weit geschleift worden. Manchmal kriege ich sie in zwanzig einzelnen Säcken. Wie die Füchse eine Leiche in der Gegend verteilen können, man könnte denken, es ist ein Spiel. Erinnern Sie sich an die Frau auf dem Golfplatz in Beckenham, Jack? Den Fall haben Sie bearbeitet, wenn ich mich nicht irre. Sechs Mann haben den ganzen Tag gebraucht, um alles zu finden, und dann fehlten immer noch ein paar Teile. Aber Füchse wollen ja vermutlich auch fressen.« Sie beugte sich über die Leiche. »Okay, Schätzchen. Ich werde dich jetzt ein bisschen bewegen.« Sie packte beide Hüften, hob sie hoch und spähte darunter. Eine Flüssigkeit sickerte träge zwischen den schlaffen, gelblichen Gesäßbacken hervor. »Hier sind jede Menge postmortale Artefakte.«
Caffery trat einen Schritt näher heran. »Postmortale Artefakte?«
»Es ist nicht ganz klar - aber sehen Sie hier? Am rückwärtigen Rumpf sind ein paar kleine Hautverletzungen.« Sie deutete mit dem Handschuhfinger auf eine Hautstelle. »Ameisen, nehme ich an. Oder irgendein anderes Insekt.«
Sie ließ die Leiche wieder sinken und untersuchte die Oberfläche der Schenkel, des Bauches und der Arme; sie strich mit den Fingern über die Haut und betrachtete jeden Bereich. Sie nahm eine Hand, hob sie hoch und ging in die Hocke, um unter die Achsel der Toten zu schauen. Etwas war ihr aufgefallen. Sie bog eine kleine Schwanenhalslampe so, dass das Licht in die Achselhöhle fiel.
Der District-DI kam einen Schritt näher. »Was gibt's?«
»Da ist eine kleine Wunde. Hier.«
Sie betastete die Narbe und schüttelte dann den Kopf. »Ein chirurgischer Eingriff. Nicht frisch - vielleicht ein, zwei Jahre her. Taugt nicht viel zur Identifizierung, nicht mal als Sekundärmerkmal, aber vielleicht taucht es in der Personenbeschreibung auf. Wenn das Zahnschema nicht kommt, haben wir zumindest das.«
»Was für ein Eingriff?«
»Eine Schlüssellochoperation - wahrscheinlich endoskopische Thoraxchirurgie. Könnte sich um eine Lobektomie wegen Lungenkrebs handeln. Oder was Ähnliches. Vielleicht eine Biopsie. Eine hübsche, saubere Narbe. Sehr viel besser als bei ihrem Kaiserschnitt.« Sie richtete sich auf und strich mit der Fingerspitze über den Unterbauch der Frau. »Eine grauenhafte Arbeit. Den Arzt sollte man erschießen. Aber was ist mit diesen anderen Narben? Die sind wichtiger.« Sie drehte Lucys linke Hand um und betrachtete die Innenseite des Arms. »Inzisionsverletzungen am Handgelenk. Am linken Handgelenk ist die Radialarterie teilweise durchtrennt. Ein zweiter Schnitt hat die Ulnararterie verletzt.«
Die Schnittverletzungen führten nicht quer über den Arm, sondern verliefen longitudinal von oben nach unten. Die Wundränder sahen jetzt aus wie Dörrfleisch; sie klafften auseinander, und man erkannte das verschlungene Geflecht von Blutgefäßen und Nerven. Für Caffery waren solche längs geführten Schnitte nicht neu - die effizienteste Methode, sein Leben zu beenden. Er bückte sich, stützte die Hände auf die Knie und schaute sich noch einmal die Haare an.
»Sie hat's also ernst gemeint«, sagte Beatrice.
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