Haut
Pappmachefiguren. Die verblichene Figur eines Watvogels sah asiatisch aus. An das Wohnzimmer grenzte eine kleine Essecke, dahinter befand sich eine Küche mit handbemalten Kacheln über der Spüle. Die Vorhänge vor dem großen Fenster waren offen, und man konnte die Berge in der Ferne erkennen. Glastonbury Tor lag da draußen - ein Pünktchen am Horizont.
Caffery wanderte durch die paar Zimmer, betrachtete dies und das und versuchte, ein Gefühl für diese Wohnung zu bekommen. Lucy war eine Sammlerin. Anscheinend stand sie auf gläserne Briefbeschwerer. Briefbeschwerer mit eingeschlossenen Blumen. Briefbeschwerer mit Vulkanausbrüchen in Rot und Orange. Briefbeschwerer, in denen winzige, durchscheinende Muscheln schräg zueinander schimmerten. Aber die Wohnung war sauber - sauberer, als sie es hätte sein dürfen. Gespenstisch, dachte er, als er die Küche in Augenschein nahm. Gespenstisch sauber. Kein Grund zur Aufregung, manchmal veranstalteten Selbstmörder einen großen Frühjahrsputz, bevor sie das Co-Proxamol schluckten. Trotzdem erschien diese Sauberkeit seltsam und unpassend. Plötzlich musste er an etwas denken, das Stuart Pearce, der Fahndungsberater, gesagt hatte. Lucy Mahoney hat gegen alle Regeln verstoßen.
Er ging die Treppe hinauf und schaltete das Licht an. Oben am Treppenabsatz gab es drei Türen. Die eine führte in ein blau gekacheltes Bad. In die Klobrille aus Akryl waren Muscheln eingegossen. An der Stange des Duschvorhangs hingen zwei breit gestreifte Strumpfhosen zum Trocknen. Die Hundeführer hatten sich nicht dafür interessiert, weil sie keinen Geruch aufwiesen; sie hatten vermutlich Pyjamas oder Unterwäsche gesucht, Sachen aus dem Wäschekorb.
Die zweite Tür war verschlossen. Er rüttelte am Knauf, aber er ließ sich nicht drehen. Er ging hinunter und suchte zuerst in den Schubladen nach Schlüsseln, dann auch in der Garderobe in der Diele. Nichts. Er kehrte nach oben zurück, legte sich auf den Teppich vor der Tür und drückte das Gesicht an den Spalt über dem Boden. Er schloss den Mund und atmete die Luft ein, die unter der Tür hervordrang.
Parfüm. Parfüm und Räucherstäbchen. Und noch etwas anderes. Terpentin vielleicht. Die Fahnder hatten diese Tür wahrscheinlich geöffnet, als sie nach der Vermisstenmeldung hergekommen waren, um sie zu suchen. Danach musste noch jemand hier gewesen sein, der sie wieder abschloss. Vielleicht Lucys Exmann. Er war als nächster Angehöriger geführt worden, weil ihre Eltern nicht mehr lebten.
Hinter der letzten Tür lag das Schlafzimmer. Grüne Samtvorhänge umrahmten die Fenster, und vor den Scheiben hingen Kristalle und Traumfänger aus Rehleder, und Bauchtanzschleier, mit Ziermünzen bestickt, waren über die Lampen drapiert, als hätte sie kürzlich einen Liebhaber zu Besuch gehabt. Caffery trat ans Fenster und betrachtete das gerahmte Foto auf der Fensterbank: ein kleines Mädchen auf einer Party, mit einem breitkrempigen schwarzen Strohhut auf dem Kopf und einer altmodischen Stoffpuppe im Arm. Das dürfte Daisy, die Tochter sein. Der Asservatenverwalter in Wells hatte gesagt, die Mahoneys hätten eine Tochter gehabt, und sie lebe irgendwo in der Nähe von Gloucester bei dem Exmann und der Schwiegermutter.
Von unten hörte er ein Geräusch, ein leises Klappen und Schlurfen. Caffery hob den schwersten Briefbeschwerer auf, den er fand, und ging hinaus auf den Treppenabsatz. Vor der Tür blieb er stehen, wog die Glaskugel in der Hand und zählte im Kopf.
Auf der Eingangsveranda ging das Licht an. Die Tür öffnete sich, und unten an der Treppe erschien ein Gesicht. Es war der Exmann in einem zerknautschten Anzug, der aussah, als gehörte er einem Versicherungsvertreter. Blinzelnd spähte er zu Caffery hinauf, zu den Händen in den Nitrilhandschuhen und dem Briefbeschwerer. Dann wanderte sein Blick nach unten zu den Galoschen. »Und wer sind Sie noch mal?«
»DI Caffery.« Er ging die Treppe hinunter. »Wir haben gestern im Krankenhaus miteinander gesprochen. Ich weiß Ihren Namen auch nicht mehr.«
»Colin Mahoney.«
»Und was machen Sie hier?«
»Ich hole die Post ab.«
»Sie sind doch geschieden.«
»Aber wir waren immer noch Freunde. Ich wusste nicht, dass es verboten ist, mit seiner Ex befreundet zu sein. Man hat mir gesagt, ich würde erst wieder was von Ihnen hören, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist.«
»Dann hat sich niemand bei Ihnen gemeldet? Niemand vom F District?«
»Nein. Hätten die das tun sollen?«
»Hat
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