Haut
ein matter Lichtschein unter einer Tür hervor. »Eine verdammte Schlange.«
»Wie bitte?«
»Wie eine Schlange im Aquarium. Sie würden alle kommen und mich anglotzen, wenn sie könnten. Mich anglotzen und auf mich zeigen. Die Wichser. Interessieren sich nur dafür, mir das Leben schwerzumachen. Also, Sie haben sich nicht angemeldet; jetzt nehmen Sie mich so, wie Sie mich vorfinden. Okay?«
»Okay.«
Ruth Lindermilk öffnete die Tür, und Flea sah ein großes, chaotisches Zimmer. Vor der Terrassentür gegenüber hing ein Lamellenvorhang; sie war einen Spaltbreit geöffnet, und ein kleiner Fächer aus Sonnenlicht beleuchtete die dicht gedrängt stehenden Möbel: Stühle, kleine Tische und plumpe Sessel. Die Regale waren vollgestopft mit Zeitschriften, Paperbacks und Nippes - schlechte Kopien von Dresdner Schäferinnen, dicke, einander küssende Kinder mit Hauben, Pferde, die sich aufbäumten, schlafende Katzen. Jedes Stück Wand war bedeckt mit gerahmten Fotos in allen Formen und Größen. In einer Ecke flimmerte der Fernseher: QVC. Eine dralle Blondine in Hotpants bemühte sich, auf einem Gymnastikball zu balancieren. Durch eine schmale Lücke im Lamellenvorhang erkannte Flea das glänzende Okular des Teleskops auf der Terrasse.
»Das ist es. Sehen Sie sich nur satt. So bin ich, und ich entschuldige mich nicht.« Mrs. Lindermilk ging hin und her, schaltete Lampen ein und verscheuchte Katzen von den Sesseln. »Setzen Sie sich. Setzen Sie sich.« Sie deutete auf ein Sofa auf der anderen Seite des Zimmers. Jetzt konnte Flea sie besser sehen. Sie war stämmig und trug weiße Shorts und ein pinkfarbenes Polohemd mit einem Anker auf der Brust. Kurze, muskulöse Beine. Die Füße steckten in engen, hochhackigen Sandalen; sie hatte schmale Fesseln und harte Männerwaden. Ihr dünnes Haar unter der kessen Mütze war kurz geschnitten und gelblich-rot gefärbt. »Schieben Sie die Katzen runter. Setzen Sie sich hin, oder sterben Sie im Stehen. Können Sie sich aussuchen.«
Flea warf einen Blick auf das Sofa. Zwei langhaarige, getigerte Katzen hatten sich in einem Haufen Stofftiere zusammengerollt. Das rissige Leder unter ihnen wies einen Salzfleck auf, der aussah wie Schweiß oder Meerwasser. Sie schob die Plüschtiere zur Seite und setzte sich neben die beiden Katzen. Die eine kuschelte sich dichter an ihre Nachbarin. Flea spürte ihre Wärme am Bein - ein angenehmes Gefühl.
»Was zu trinken? Ich nehme an, Sie möchten was trinken.«
Auf einer Bar aus schwarzem Glas und Chrom in der Ecke standen sauber aufgereihte bunte Tumbler, ein goldener Eiskübel und ein Cocktailshaker. Fleas Blick wanderte über die Schnapsflaschen dahinter. »Ja.« Sie legte ihre Kappe auf die Armlehne des Sofas. »Ich nehme das Gleiche wie Sie.«
Mrs. Lindermilk wischte sich die Hände an ihrem Polohemd ab und ging zur Bar. Sie drehte zwei Gläser um, legte die Hand an eine Flasche Bacardi, hielt inne und sah Flea mit mattem Lächeln an, als wollte sie sagen: Fast hätten Sie mich erwischt. Aber nur fast. »Also eine Coke«, sagte sie. Sie holte zwei Dosen unter der Bar hervor, riss sie auf und goss die Gläser voll. Eins davon reichte sie Flea. »Mrs. Lindermilk...«
»Ruth. Sie können mich Ruth nennen, wenn Sie wollen.«
»Okay, Ruth. Gibt es einen Mr. Lindermilk?«
»Es gab einen.« Sie nahm ihr Glas und setzte sich in einen abgenutzten Ruhesessel neben einem wackligen Beistelltisch mit einer Fernbedienung und einem Aschenbecher. Ihre nackten Beine in den hochhackigen Schuhen waren braun und sehnig und überzogen von schwärzlichen Adern, die aussahen wie Spinnennetze. »Jetzt gibt's nur noch mich und Stevie.«
»Ihr Sohn?«
»Ja - das ist er.« Sie deutete mit dem Kopf zur Wand. Ein paar der gerahmten Fotos zeigten Boote. Auf einem sah man eine sehr viel jüngere Ruth mit ihrer kessen Mütze am Steuer neben einem grauhaarigen Mann in einem Hawaiihemd, auf einem anderen einen jüngeren Mann in einem weißen Trägerunterhemd und einer Baseballmütze mit einem Anker, am Steuer eines kleinen Boots. Er schaute direkt in die Kamera. Er war sonnengebräunt und sein Haar dicht und blond, aber der verkniffene Ausdruck seines Mundes verhinderte, dass er gut aussah. »Hat jetzt sein eigenes Geschäft. Kommt gut zurecht, unser Stevie.«
»Ruth, vor ein paar Jahren war die Polizei hier. Sie und einer der Nachbarn?«
»Woher zum Teufel wissen Sie das?«
»Wir haben Zugang zu solchen Informationen.«
»Ich hab nicht angefangen. Haben Sie auch
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