Haut
Steg.
»Flea.« Mandy streckte warnend die Hand aus. »Lass uns darüber reden, und...«
Zu spät. Flea hatte sich auf Thom gestürzt. Packte ihn bei den Schultern. Stieß ihn gegen den Pfosten. »Sag die Wahrheit!«, schrie sie.
»Lass mich los.«
Sie zog ihn zu sich heran. Stieß ihn wieder zurück. Seine Arme flogen zur Seite. Das Ciderglas fiel herunter und zerbrach. »Sag jetzt die Wahrheit.«
Atemlos rutschte er am Pfosten herunter und landete auf den Planken. Die Leute vor dem Pub drehten sich um und starrten herüber. Sie packte ihn unter den Armen, riss ihn nach vorn und warf ihn aufs Gesicht. Dann stellte sie sich mit gespreizten Beinen über ihn, ließ sich auf sein Gesäß fallen und riss an seinen Haaren. »Übernimm endlich mal Verantwortung.«
»Aufhören.« Mandy zerrte an ihren Händen. »Sofort aufhören.«
Flea hörte nicht auf sie. Sie sah Dad vor sich, wie er Thom ohrfeigte, vor einer Million Jahren. Thoms leeren Blick. Und wie er überhaupt nicht reagierte. »Sag die Wahrheit!«, kreischte sie.
Er tastete blindlings mit den Händen hinter sich. »Lass mich in Ruhe.« Er grub die Fingernägel in ihre Hände und versuchte, sie aus seinem Haar zu ziehen.
Sie biss die Zähne zusammen, lehnte sich zurück und riss seinen Kopf hoch. »Du sollst die verdammte Wahrheit sagen...«
Er warf sich zur Seite und verdrehte die knochigen Hüften, bis er auf dem Rücken lag und ihr ins Gesicht sah. Sie wollte seinen Kopf auf den Boden schlagen, aber er packte ihre Handgelenke und hielt sie fest. Sie rang mit ihm, und er riss zwei-, dreimal heftig das Knie hoch und traf sie in den Unterleib. Und jetzt hockte Mandy neben ihnen. Sie schrie nicht. Sie war still, und mit konzentriert zusammengekniffenen Augen schlang sie die fleischigen Arme um Flea.
»Loslassen, du Dreckstück.« Flea stieß mit dem Ellbogen zur Seite, aber sie traf nicht. Schmerz durchzuckte einen überdrehten Muskel in der Schulter. »Lass los.«
Sie warf sich mit ihrem ganzen Gewicht zur Seite, bog sich zurück und versuchte, sich aus Mandys Griff zu befreien. Aber Mandy war doppelt so schwer und so stark wie sie; sie presste ihr Gesicht an Fleas Schulter, hielt sie grimmig umklammert und wiegte sich hin und her. Sie rollten über den Steg. Eine Glasscherbe zerschnitt Fleas Wange. Sie spürte, wie Thom unter ihnen davonrutschte.
»Lass mich los, Mandy«, fauchte sie. »Sonst bringe ich dich um.«
»Schnapp ihre Hände!«, schrie Thom plötzlich. »Pack sie!«
Flea trat um sich, als seine Hände nach den ihren griffen. Bösartig gruben sich seine Fingernägel in ihre Handgelenke. Sie wurde hochgehoben. Auch er war stark. Stärker, als sie je vermutet hätte. Blut lief ihr über das Kinn. Schemenhaft sah sie Leute, die aus dem Pub hasteten und schrien.
»Ich bringe dich um.«
Ein Fußtritt. Oder ein Faustschlag. In den Bauch, ziemlich weit oben, unter dem Zwerchfell. Sie hatte nicht gesehen, von wem er kam, aber er presste alle Luft aus ihrer Lunge. Schlagartig war es zu Ende. Mandy ließ sie los, und sie kippte vornüber und blieb bewegungslos liegen. Die Polizistin, die darauf trainiert war, in jeder Situation auf den Beinen zu bleiben, lag auf dem Steg. Blut lief ihr über das Gesicht, und wichtig war nur noch, wie sie Luft bekam.
»Phoebe.« Mandys Stimme war nur ein Flüstern dicht an ihrem Gesicht. Ihr scharfer Schweißgeruch drang Flea in die Nase. »Phoebe, Thom und ich lieben dich sehr. Wirklich sehr. Deshalb werden wir dir helfen. Wir werden dir helfen, deine Probleme und Schwierigkeiten zu beheben, und gemeinsam - gemeinsam - werden wir eine Möglichkeit finden, dich nicht zur Polizei zu bringen.«
43
Caffery verstieß gegen alle Regeln und nahm Alkohol mit in die Dienstbesprechung am Abend. Er schnappte sich eine Dose Coke vom Aktenschrank, trank sie halb leer, schraubte dann eine Flasche Bell's auf und goss die Dose wieder bis zum Rand voll. Bell's war es, weil er dessen Geschmack, verglichen mit einem guten Malt, zum Beispiel mit Glenmorangie, nicht ausstehen konnte. Es ging darum zu verhindern, dass er die ganze Flasche auf einmal austrank. Manchmal funktionierte der Trick, manchmal nicht.
Jede Polizeieinheit, die er gekannt hatte, nannte die tägliche Besprechung mit dem Ermittlungsleiter »Gebetsandacht«. Manche Ermittlungsleiter veranstalteten diese Andacht einmal am Tag, um zusammenzutragen, was das Team am Tag zuvor gemacht hatte. Manche taten es zweimal: Es gab eine Morgen- und eine Nachmittagsandacht.
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