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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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neun Mitglieder der Unterwasser-Sucheinheit in ihrem Gebäude in Almondsbury im Halbkreis um einen Ausbilder und verfolgten, wie er einer Puppe eine Herzmassage verpasste. Flea und ihr Team hatten eine Grundausbildung in lebensrettenden Maßnahmen erhalten - kardiopulmonale Reanimation nannte man es -, und alljährlich gab es einen Auffrischungskurs, denn manches vergaß man im Lauf der Zeit, und für anderes gab es neue Empfehlungen. Zum Beispiel, erklärte der Ausbilder, verlangte die Behörde jetzt nicht mehr fünfzehn Stöße auf zwei Atemspenden, sondern dreißig.
    Flea saß am Ende des Halbkreises kerzengerade mit steifem Rücken und verschränkten Armen auf ihrem Stuhl und ließ unbewusst ein Knie auf und ab wippen. Sie hatte den Blick fest auf den Ausbilder gerichtet, aber sie sah nicht, was er tat. Sie hatte vier Tassen Kaffee getrunken und sechshundert Milligramm Cuprofen geschluckt - genug für die sofortige Entstehung eines Magengeschwürs -, aber das hatte nichts bewirkt außer Nervenzittern. Ihr Gesicht tat immer noch weh, und sie hatte Kopfschmerzen.
    »Boss? Boss?« Wellard saß neben ihr; er beugte sich stirnrunzelnd vor.
    »Was ist?«, fragte sie. Niemand achtete mehr auf den Ausbilder. Alle starrten sie an. »Was ist denn?«
    »Äh, das Telefon? Wissen Sie - das in Ihrer Tasche?«
    Dann kapierte sie. Ihr Handy klingelte, und sie hatte es nicht bemerkt. Sie fischte es aus der Tasche. »Unbekannter Anrufer« stand auf dem Display. Ein dienstlicher Anruf. Sie hob die Hand und bat den Ausbilder wortlos um Nachsicht, schob ihren Stuhl zurück und verließ den Raum. »Ja, Sergeant Marley. Was kann ich für Sie tun?«
    Es war ein Fahndungsberater. Nicht Stuart Pearce, sondern der Fahndungsberater der MCIU.
    »Ich möchte mit Ihnen über Misty Kitson reden.«
    »Moment.« Sie ging in ihr Büro, schloss die Tür und kratzte sich einen Moment lang am Kopf, bis ihr Herz nicht mehr so laut schlug. »Okay«, sagte sie dann langsam. »Sie wollen über Misty Kitson reden. Was ist mit ihr?«
    »Der Chief lässt uns ein bisschen Geld zukommen. Ich erweitere die Suchparameter. Haben Sie eine Karte da?«
    »Ich stehe davor.«
    »Unser Radius betrug zwei Meilen. Ich vergrößere ihn auf vier. Keine Geländedurchsuchung, sondern eine Anwohnerbefragung. Sie machen doch Anwohnerbefragungen für uns, oder?«
    Flea betrachtete die Karte an der Wand. Sie brauchte weder Kompass noch Lineal, um zu sehen, wie weit ein Vier-Meilen-Radius reichen würde. Ruths Dorf lag mitten in diesem Radius.
    »Sind Sie noch da?«
    »Ja.«
    »Ich sagte, Ihr Team steht doch normalerweise für Anwohnerbefragungen zur Verfügung, oder? Ich wollte vorschlagen, dass Sie den südöstlichen Quadranten übernehmen. Für den Rest habe ich ein paar Einheiten aus Taunton.«
    Den südöstlichen Quadranten. Ruths Dorf. »Wann sollen wir anfangen?«
    »Morgen?«
    »Mein Team hat Spätschicht.«
    »Dann fangen wir nachmittags an. Sagen wir, gegen zwei.«
    »Zwei Uhr?«
    »Haben Sie ein Problem damit?«
    »Nein. Wieso?«
    »Sie klingen merkwürdig.«
    »Mir geht's gut, vielen Dank. Absolut gut. Also morgen.«
    Sie legte auf und ließ sich auf den Stuhl fallen, bettete den Kopf in die Hände und starrte auf die Astlochmuster im billigen Laminat der Schreibtischplatte. Das war raffiniert, so raffiniert: Die Welt hatte sie eiskalt in die Falle gehen lassen. Und Thom, ihr eigener Bruder, sprang auf dem Steg herum und schrie: »Pack sie!«
    Pack sie. Einfach unglaublich, verdammt.
    Sie nahm den Hörer ihres Diensttelefons ab und fummelte am Bedienfeld herum. Anders als bei ihrem Handy wurde die Nummer bei ausgehenden Telefonaten unterdrückt; vielleicht würde Thom also abnehmen, statt sie sofort an die Mailbox weiterzuleiten. Außerdem hatte dieses Telefon eine Gesprächsaufzeichnungsfunktion. Sie drückte die Aufnahmetaste und wählte dann seine Nummer.
    Er meldete sich nach dem vierten Klingeln. »Hallo?«
    »Thom, bitte leg nicht auf.«
    Es entstand eine Pause, und dann hörte sie ein unbestimmtes Rascheln am anderen Ende. Es blieb still. »Bist du da?«
    Wieder dieses Rascheln, als bewegte er sich mit dem Telefon umher und zerstückelte dabei das Funksignal.
    »Bist du da, Thom? Kannst du mich hören?«
    »Ja, ich kann dich hören.« Mandy. Nicht Thom. »Ich kann hören, was du sagst, Phoebe.«
    »Gib mir Thom wieder. Ich will mit Thom sprechen.«
    »Tja, jetzt sprichst du mit mir.«
    »Aber ich mag dich nicht, Mandy.«
    »Ich mag dich auch nicht.«
    »Gib

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