Haut
zugeschlagen. Er wandte der Kamera den Rücken zu und war zu weit entfernt, aber wenn man Thom kannte, wusste man, dass er es war.
Die Ziffern auf dem Kennzeichenschild waren wegen des schlechten Lichts unleserlich, aber die Buchstaben sah man deutlich: GBR. Und dicht über dem Nummernschild hing etwas Kleines, Dunkles herunter. Wenn man nicht dicht davorstände, würde man es gar nicht bemerken. Aber Flea sah es. Und sie wusste, dass es ein Zipfel von einer Samtjacke war. Er hatte sie schon in den Kofferraum gelegt und wollte abfahren ... Du hast also nicht alles gesehen. Du hast den Aufprall gehört, aber du weißt nicht, dass er einen Menschen angefahren hat. Du hast nicht gesehen, wie er Misty in den Kofferraum legte. Du dachtest, es sei ein Reh gewesen ...
Flea griff nach dem Foto, aber Ruth war flink. Sie schob es zurück in die Zellophanhülle, ging zu einem kleinen Sekretär in der Ecke, legte das Bild hinein und drehte den Schlüssel um. Lächelnd wandte sie sich zu Flea um, und ihr Gesichtsausdruck bekam etwas Verschlagenes. »Nein, nein, nein«, sagte sie. »Das wäre zu einfach, oder?«
»Leihen Sie mir das Foto, Ruth. Es würde beweisen, dass der Mann meiner Klientin hier war.«
»Nein.« Sie schob den Schlüssel vorn unter ihren BH und zwinkerte. »Ich glaube, das werde ich nicht tun.«
»Ich mache eine Kopie davon. Ich brauche nur ein paar Minuten bis zum nächsten Copyshop. Dann ist der Fall für mich erledigt, und ich kann Sie in Ruhe lassen.«
»Der Preis ist soeben gestiegen. Fünfzehntausend. So viel kostet es Sie jetzt.«
Flea öffnete den Mund. Klappte ihn wieder zu. Was bewies dieses Foto? Dass Thom angehalten hatte. Dass er ausgestiegen war, um nachzusehen, was er da angefahren hatte. Sie würden es in ihre Geschichte einflechten müssen. Sie würden Misty so weit auf das Feld tragen, dass man glauben konnte, sie sei durch die Hecke geschleudert worden und er habe sie von der Straße aus nicht sehen können, als er ausgestiegen war. Und er könnte sagen, er habe angenommen, es sei ein Reh gewesen, das sich davonschleppte. Ganz so, wie Ruth es berichtet hatte.
»Eher nicht.« Flea sah auf die Uhr. Halb sieben. In fünfundvierzig Minuten würde sie sich in Keynsham mit Thom und Mandy treffen. »Tut mir leid, aber ich glaube wirklich, daraus wird nichts.«
42
Dort, wo früher das alte Schleusenwärterhaus von Keynsham gestanden hatte, gab es nun ein modernes Ciderpub. Flea, Thom und Mandy gingen hinunter zum wackligen Angelsteg, wo das Tosen des Wehrs ihre Stimmen übertönen würde. Sie bemühten sich, normal zu erscheinen. Sie hatten Pintgläser mit dickem, orangegelbem Cider in der Hand, aber keiner von ihnen hatte Lust, etwas zu trinken. Thom stellte sein Glas auf einen Stützpfosten, verschränkte die Arme und starrte auf seine Schuhspitze, die er kreisend über den Boden bewegte. Er vermied jeden Blickkontakt mit den beiden Frauen.
Flea stand neben Mandy und schaute mürrisch auf den Fluss. Sie hatte hier einmal eine Leiche herausgezogen, einen siebzigjährigen Mann mit Rachenkrebs. Während seine Frau beim Einkaufen war, hatte er mit Hammer und Meißel sieben Steine aus der Gartenmauer geschlagen und sie in einen Rucksack gesteckt, den er sich umhängte und mit einem Vorhängeschloss vor der Brust sicherte. Dann war er hierhergekommen und geradewegs ins Wasser spaziert. Die Gäste einer Hochzeitsfeier im Pub gegenüber hatten ihn dabei beobachtet. Er war versunken und von der Strömung an das Wehr gedrückt worden. Die Unterwasser-Sucheinheit hatte sechs Stunden gebraucht, um ihn herauszuholen. Sein Gesicht, nach mehreren Krebsoperationen ohnehin nur noch teilweise vorhanden, war so oft gegen das Wehr geschlagen, dass es aussah wie rohes Hackfleisch.
»Wir brauchen jetzt einen Plan.« Mandy trug ein schwarzes Leinenkleid, das bis zur halben Wade reichte, und verblichene blaue Birkenstocks. Ihre massigen Oberarme waren von kleinen rötlichen Pickeln übersät. »In unser aller Interesse brauchen wir einen Plan. Wir müssen uns überlegen, wie wir am besten aus dieser Sache herauskommen.«
Flea sah hinauf zum Pub. Ein paar Leute standen auf der Terrasse; einige trugen Büroanzüge, andere Shorts und T-Shirts. Niemand beachtete sie. Flea senkte die Stimme. »Hör zu, das ist einfacher, als du glaubst. In der Forensik sind zurzeit riesige Umwälzungen im Gange, und die meisten Ermittlerteams haben sowieso kein großes forensisches Budget. Die Obduktion wird ergeben, dass sie
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