Hautnah: Sinnliche Begegnungen (German Edition)
wohlgemerkt.
Dachten alle, die mit Hannes zu tun hatten, nur an Notfälle? Finn dachte an blonde Strubbelhaare, einen sinnlichen Mund und Augen, die sich hinter dunklen Gläsern versteckten.
Grit ging mit einem gequält optimistischen Lächeln.
Dann kroch die Zeit wieder. Wie zäher Schleim. Eklig. Finn versuchte den Artikel weiterzuschreiben, was nicht ging, weil er andauernd an Hannes dachte. Hatte Grit ihm was zu Essen mitgebracht? Hatte sie ihm geraten, den Föhn besser nicht zu benutzen, wenigstens vorerst? Wusste er, an welchen Knöpfen von rechts oder links er den Herd an und ausschalten musste?
Ob er doch besser mal rüber ging? Im Küchenregal stand eine Flasche Bardolino. Furchtbar schlicht, wie beim Italiener um die Ecke, und daher stammte die Flasche auch.
Gut, ein Besuch unter neuen Nachbarn. Hannes müsste nicht gleich austicken, von wegen Overprotecting oder so was. Aber vielleicht war er müde? Vielleicht schlief er längst nach diesem anstrengenden Tag. Vielleicht lag er auch einfach nur im Bett und war verzweifelt. In Finns Herz zog es wieder. Diesmal so stark, dass es richtig wehtat.
Er schluckte seine Nervosität hinunter, wählte eine Jeans, die lecker unter den Beckenknochen saß und ein ärmelloses Hemd. Musste unter die Jeans noch was drunter? Quatsch. Es war Frühling. Außerdem saß sie verdammt eng.
Im Spiegel lachte er sich selbst aus. Auch wenn seine Schulter- und Armmuskulatur klasse durch das Hemd betont wurden und die Hose Hannes die Gelegenheit bot, Finns gut trainierten Bauch zu berühren, konnte es ebenso gut sein, dass Hannes ihn zum Teufel schickte. Andererseits war der Hosenbund wirklich verteufelt tief. Hannes Finger mussten nicht lange fischen gehen, um Finns Erregungsgrad abzuchecken. Nur zum Test schob er seine Hand zwischen Bauch und den wirklich eng sitzendem Bund in die Tiefe. Hoffentlich brach sich Hannes nicht die Finger dabei. Zur rechten Zeit mussten halt ein paar Knöpfe aufspringen. Das ließ sich einrichten.
Im Badezimmerschrank lag ein neues Päckchen Gummis. Finn steckte zwei ein. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es Hannes ähnlich ging wie ihm.
Noch einmal tief einatmen und los.
Finn stand vor Hannes Tür und traute sich nicht, auf die Klingel zu drücken. Nachher schlief Hannes wirklich und wenn er klingelte, taumelte er durch die Wohnung und nahm im Halbschlaf jede Ecke mit. Ob er einfach den Notfallschlüssel benutzen sollte? War das denn ein Notfall? Wohl eher nicht.
Was rumpelte denn da? Finn legte das Ohr an die Tür. Wieder. Wie dumpfe Aufschläge. „Hannes?“ Er klingelte Sturm. Das Poltern hörte auf aber es wurde nicht zu Schritten. Alles blieb still. „Hannes!“
Nichts. Scheiße, das war ein Notfall! Finn schloss auf. In der Wohnung war es dunkel. Warum hatte Hannes kein Licht gemacht? „Hannes?“
Die Wohnung war spiegelverkehrt zu seiner geschnitten. Das Wohnzimmer, das Bad, Küche ... alles dunkel. Finn schlug auf den nächstbesten Lichtschalter. Die Tür vor ihm war nur angelehnt. Dahinter hörte er es laut atmen. „Hannes?“
Er kniete vor dem Bett. Der Schweiß, der ihm den Rücken hinunterrann glitzerte im Lichtschein der Flurlampe. Sonst war das Schlafzimmer dunkel. Hannes japste nach Luft, als hätte er eben einen Marathon hinter sich gebracht.
„Ich sehe nichts mehr.“ Er drehte den Kopf in Finns Richtung. Seine Augen blickten eine Spur an ihm vorbei.
Finn kniete sich neben ihm. Hannes Augen waren grau. Vielleicht mit einer Spur grün, das war in dem matten Licht nicht zu sehen. Aber sie waren schön, auch wenn sie immer noch an ihm vorbeistarrten. Gar nicht trüb oder weiß, wie er sich die Augen von Blinden vorgestellt hatte.
„Finn, hilf mir. Ich sehe nichts. Gar nichts. Keine Farben, keine Umrisse. Auch keine Lichtblitze.“
Deshalb schwitze er so. Er war wahrscheinlich auf der Stelle gerannt. Hatte er nicht gesagt, dass er bei Anstrengung Lichtblitze sah? Finn legte den Arm um ihn. „Komm erst mal wieder runter.“
Hannes tastete sich an Finns Brust hoch bis zu seinen Schultern und hielt sich fest. Seine Kiefermuskeln verkrampften sich immer wieder. Dachte er tatsächlich, wenn er die Zähne zusammenbiss, ginge die Angst weg?
Blind. Nichts außer Nichts. Finn schüttelte es. Als ob Hannes Angst davor auf ihn übersprang.
Er führte Hannes Kopf zu seiner Schulter. „Ganz ruhig. Vielleicht ist es nur vorübergehend.“
„Warum sehen ich keine Umrisse mehr? Ich habe sie den ganzen Tag gesehen. Die
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