Hautnah: Sinnliche Begegnungen (German Edition)
in die Richtung, aus der der Fremde auf ihn zustolperte. Akishas schwarzes Fell half dabei, dass er nicht sofort im Dickicht zu sehen war. Seine Augen jedoch würden ihn verraten. Die beiden leuchtend blauen Iriden waren selbst in der Dämmerung noch gut zu sehen. So wunderte sich Akisha nicht, dass der Fremde stockte, sobald dieser das verräterische Leuchten erblickte. Erstarrt blieb er stehen und der Schock war ihm ins Gesicht geschrieben.
Akisha musterte ihn. Groß und muskulös war er, das brünette Haar fiel ihm ins verschwitzte Gesicht. Das weiße T-Shirt war verschmutzt und die Jeans am rechten Knie zerrissen. Der Geruch des Mannes änderte sich leicht. Die leicht säuerliche hinzugekommene Note verriet die Angst, die die er spürte. Akisha blinzelte, zog den Kopf zwischen den Bäumen zurück und änderte zum ersten Mal seit Monaten seine Gestalt. Normalerweise hatte er keinen Grund dazu; er tat es meist, um nicht aus der Übung zu kommen. Da er als Wolf aber nicht sprechen konnte, blieb ihm kaum eine Wahl.
Nackt, wie er zur Welt gekommen war, stand er auf und sah den Fremden erneut an. Dem stand nun vor Staunen der Mund offen.
„Was willst du hier?“, fragte Akisha und erschrak beinahe selbst über den rauen Klang seiner Stimme. Das kam davon, weil er kaum mehr als zehn Worte im Jahr sprach …
„Du … du … da stand doch gerade noch ein riesiger Wolf!“, erwiderte der Mann und sah verwirrt aus.
„Richtig. Also, was willst du hier?“
„Eigentlich wollte ich gar nicht hier her – wo auch immer hier ist – ich hab den Anschluss an die Gruppe verloren, besitze keinen Kompass und suche den Weg zurück.“
Akisha zog eine Braue nach oben. Der Mann hatte sich einfach nur verlaufen?
„Wo ist zurück? Ich zeig dir den Weg.“
„Wenn ich das wüsste. Wir haben ein großes Lager. Zelte für zwölf Personen, auf einer Lichtung“, erklärte er knapp.
Akisha seufzte. Ein ungewohnter Laut für ihn, der aber ausdrückte, was er von dem Menschen hielt. Er grübelte, während er hinter den Büschen hervortrat und die Baumstämme umrundete. Normalerweise durchquerte keine Reisegruppe sein Gebiet, das er sich als junger Wolf erkämpft hatte. Wanderungen und dergleichen fanden im angrenzenden Gebiet statt.
„Du bist nackt“, sagte der Fremde unnötigerweise.
„Ich weiß das. Normalerweise trage ich Fell.“
„Äh …“
Akisha trat auf den Mann zu und fixierte ihn mit seinem Blick.
„Wenn dir nicht gefällt, dass ich nichts als meine Haut trage, dann kann ich auch wieder zum Wolf werden“, sagte er leise und nicht ohne einen drohenden Unterton in seiner Stimme.
Sein Gegenüber erwiderte den Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Er schien seine Angst völlig über Bord geworfen zu haben. Nach einigen Sekunden unterbrach er den Blickkontakt und betrachtete stattdessen Akishas Körper von oben bis unten.
„Von mir aus kannst du so bleiben, denn mir gefällt, was ich sehe. Ich glaube allerdings, so bist du nicht gerüstet für einen Marsch durch den Wald.“
Jetzt war es an Akisha, sein Gegenüber verwundert anzusehen.
Ihm gefällt, wie ich aussehe? , wiederholte er ungläubig in Gedanken.
„Du hast recht. So durch den Wald zu laufen ist nicht sehr klug …“, erwiderte er schließlich.
Akisha wusste nicht, wie er den Fremden einschätzen sollte. Es war selten, dass er sich einem Menschen gegenüber offenbarte und seine wahre Natur zeigte. Dass dieser nun ohne Angst vor ihm stand, wunderte ihn sehr. Von der Bemerkung zu seinem Körper mal ganz abgesehen. Im Augenblick war Akisha froh, dass seine menschliche Nase nicht so gut riechen konnte, wie die seiner Wolfsgestalt. Der Geruch des anderen Mannes war dennoch unverkennbar da und reizte seine Sinne.
„Wie heißt du eigentlich?“
„Wenn ich dir meinen Namen sage und dich aus dem Wald begleite, möchte ich eine Gegenleistung dafür“, gab Akisha fordernd zurück.
„Als da wäre?“ Leicht belustigt sah der Mann ihn an.
„Das werden wir sehen“, erwiderte Akisha geheimnisvoll. „Was ich überhaupt nicht verstehe – warum hast du keine Angst vor mir?“
„Müsste ich das? Ich meine, wenn du mir etwas antun wolltest, hättest du es dann nicht längst getan?“
„Da ist was dran. Du müsstest auch keine Angst haben. Ich verteidige zwar mein Revier, aber du machst nicht den Eindruck, als wolltest du wildern oder dem Wald Schaden zufügen.“
„Ich hab mich nur verlaufen!“, erwiderte er und lachte. „Also, wie heißt
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