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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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Gina. »Dort gibt es das beste Eis diesseits der Catskills.«
    »Ich weiß, wir waren schon mal da«, erwiderte Lara.
    »Wow. Du kommst ja ganz schön rum.«
    Fast wäre Lara damit herausgeplatzt, dass sie einen einheimischen Fremdenführer hatte. Sie verkniff es sich gerade noch rechtzeitig.
    Gina lenkte ihren Wagen vor der großen roten Scheune in eine freie Parklücke. Bevor sie ausstieg, warf Lara einen Blick in den Seitenspiegel und sah das graubraune Auto im Schneckentempo hinter ihnen vorbeirollen, als hielte der Fahrer Ausschau nach einem Parkplatz. Die Scheiben waren getönt, aber sie konnte klar die Silhouette einer Frau hinter dem Steuer erkennen. Sie war es, kein Zweifel.
    »Bleibt im Wagen«, befahl sie Gina und den Kindern, die angesichts ihres Tonfalls so verdattert waren, dass sie gehorchten.
    Voller Wut über die Dreistigkeit dieser Person und das Leid, das sie Stephen zugefügt hatte, sprang Lara aus dem Kombi, machte einen Satz auf das graubraune Auto zu und riss die Fahrertür auf. Die Frau drehte sich zu ihr herum, schrie auf, legte den Rückwärtsgang ein und gab Gas, so dass Lara quer über den Kiesparkplatz geschleudert wurde. Schlingernd und mit quietschenden Reifen raste der Wagen auf die Ausfahrt zu, wo er fast mit einem ankommenden Fahrzeug zusammengestoßen wäre. Lara kam nur mühsam wieder auf die Beine.
    »Ich weiß jetzt, wie du aussiehst!«, brüllte sie der Staubwolke nach, die den Wagen einhüllte. »Ich kenne dich!«
    »Alles in Ordnung?«
    Lara drehte sich um. Gina, Ethel und Gladys standen in einer Reihe und sahen sie mit offenen Mündern an.
    »Das war die Wäschediebin«, erklärte Lara. »Das ist die Schlampe, die unsere Sachen geklaut hat.«
    »Deine Knie«, sagte Gina.
    Lara betrachtete das Blut, das ihr die Schienbeine hinunter bis in die Ledersandalen lief.

33
    A ls Stephen am frühen Abend vor der Küchentür stand, wurde Lara bei seiner bloßen Anwesenheit ganz schwindlig vor Erleichterung.
    »Hi«, sagte sie und berührte ihn sacht an der Schulter.
    Stephens Verkleidung für die Fahrt in den Zirkus war eine andere als die, die er tagsüber trug. Er hatte eine Brille mit dickem Rahmen aufgesetzt, und ein zerbeulter Filzhut beschattete die obere Hälfte seines Gesichts. Der Rest seines Körpers war unter einem leichten Vintage-Regenmantel verborgen.
    »Du siehst aus wie ein Kunststudent aus den Neunzigern!«, stellte Lara fest, die Mühe hatte, ihre Lunge mit Luft zu füllen. Tatsächlich sah er genauso aus wie damals, als sie sich kennengelernt hatten.
    »Und du siehst aus wie die Frau meiner Träume«, flüsterte er und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Während er sich zu ihr herunterbeugte, suchte Lara den dunklen Hügel hinter ihm nach etwaigen Bewegungen oder Personen ab.
    Jack kam angerannt und drängte sich zwischen sie.
    »Hallo, Stephen. Gehen wir jetzt in den Zirkus?«
    »Das will ich doch wohl meinen«, antwortete Stephen und nahm Jack mit Schwung auf den Arm. »So, wo sind denn deine Geschwister?«
    Jack zeigte zum Wohnzimmer, wo Olly Kaugummi kauend auf seiner Gitarre spielte und dazu ein sehr schönes Lied sang, das er gerade komponiert hatte.
    »Hey, wie geht’s?« Olly stand auf und begrüßte Stephen mit Handschlag.
    »Byron?«, fragte Stephen und deutete auf die Gitarre.
    »Aus dem Buch, das du mir geliehen hast.«
    »Freut mich.«
    »Bella hat sich irgendetwas eingefangen«, sagte Lara. »Deswegen kommt sie nicht mit.«
    »Oder sie hat Liebeskummer.« Olly zwinkerte Stephen zu. »Loverboy meldet sich nicht. Die Arme.«
    »Olly, sei nicht so gehässig«, mahnte Lara.
    »Das ist aber schade«, sagte Stephen. »Soll ich mal hochgehen und mit ihr reden?«
    »Ich fürchte, sie lässt sich nicht umstimmen«, erwiderte Lara.
    Sie stiegen in den Wrangler und fuhren mit heruntergelassenem Verdeck los. Die Straße schlängelte sich durch ein Tal in den immer tiefer werdenden Abend hinein, vorbei an phallisch aufragenden Silos und roten Scheunen, die zunehmend verfallener aussahen, je weiter sie sich vom Ort entfernten.
    »Wisst ihr, warum sie rot sind?«, rief Stephen über das Dröhnen des Motors hinweg. »Früher haben die Farmer das Blut der geschlachteten Tiere mit Öl vermischt und damit ihre Scheunen gestrichen.«
    »Igitt«, sagte Lara. »Wieso denn das?«
    »Weil’s gut aussah.« Olly schien die Sache unheimlich komisch zu finden.
    Sie bogen um eine Kurve und überquerten eine Brücke. Etwa fünfzehn Meter unter ihnen rauschte ein Fluss in

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