Hautnah
Zunge, als er versuchte, ihren Mund zu finden. Ganz kurz ließ sie sich von seinem nach Wein und Aschenbecher schmeckenden Mund küssen, bevor sie den Kopf in den Nacken legte, damit er dachte – falls er dazu überhaupt noch in der Lage war –, dass sie von ihm am Hals liebkost werden wollte. Sie wusste, dass ihr keine Wahl blieb, also ließ sie es zu, dass er sich auf sie wälzte, bis sie das Gefühl hatte, von seinem Gewicht erdrückt zu werden, und ihr mit den Händen die Beine auseinanderschob. Er drang in sie ein, ohne sich darum zu kümmern, dass sie noch nicht bereit war.
»Ah. Ah. AHHH .« Nach wenigen Stößen begann er, laut zu keuchen und zu stöhnen. Die Bettfedern rieben quietschend und kreischend gegeneinander.
»Schh«, zischte sie, weil sie an Jack dachte, der wenige Meter entfernt auf dem Fußboden schlief.
»Ah, ah, AH «, machte Marcus ungerührt weiter. Er stieß noch ein paarmal in sie, und im letzten Moment gelang es ihr, sich unter ihm wegzuschlängeln, so dass er auf dem Bettlaken kam und nicht in ihr.
»Ich liebe dich«, murmelte er, um dann augenblicklich einzuschlafen.
Lara hingegen lag noch wach und lauschte auf sein Schnarchen. Sie war wütend auf ihn, weil er nicht besser aufgepasst hatte, und auf sich, weil sie so etwas mit sich machen ließ.
Es muss sich dringend etwas ändern, dachte sie.
32
A m nächsten Morgen, während sie für Marcus ein Katerfrühstück aus Kaffee und Eiern zubereitete, fiel Lara auf, dass die Rosen sich über Nacht erholt zu haben schienen. Sie staunte, was ein paar Tropfen frisches Wasser ausmachen konnten, und ging hin, um sich die Blumen genauer anzusehen. Doch dann setzte ihr Herz einen Schlag aus, als ihr klar wurde, dass die Rosen keineswegs eine wundersame Auferstehung hinter sich hatten. Sie waren neu.
Lara schlug die Hände vors Gesicht. Ehe sie am Abend zuvor ausgegangen waren, hatte sie beide Türen abgeschlossen, ebenso bevor sie ins Bett gegangen war. Wie waren die frischen Rosen in die Vase gekommen? In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie lief in den Garten hinterm Haus und warf sowohl die Blumen als auch die Vase hinter den Schuppen.
»Was läufst du barfuß draußen herum?«, fragte Marcus, der an den Türrahmen gelehnt dastand und das Kunststück fertigbrachte, gleichzeitig vollkommen erledigt und selbstzufrieden auszusehen. Er stieg die hölzernen Stufen hinunter und ging auf bloßen Füßen vorsichtig über den heißen Asphalt, um sie in den Arm zu nehmen.
»Das war schön gestern Abend«, sagte er.
Nach einem unruhigen Morgen setzte sie Jack in den Mietwagen und machte sich auf den Weg zu Gina, um gemeinsam mit ihr in die Stadt zu fahren. Olly verkündete, er habe andere Pläne und könne nicht mitkommen, und Bella machte keinerlei Anstalten, aus ihrem Bett aufzustehen. Beide wollten die Auswahl ihrer neuen Kleider ihrer Mutter überlassen – etwas, was seit über fünf Jahren nicht mehr vorgekommen war. Mit dem Gedanken, dass sie ausnahmsweise einmal etwas richtig gemacht haben musste, schloss Lara hinter ihnen die Haustür ab. Sie hatte ihnen einen Satz Schlüssel dagelassen und die strikte Anweisung gegeben, ja nicht aus dem Haus zu gehen, ohne abzusperren. Dass Olly dabei die Augen verdreht hatte, kümmerte sie nicht.
Als Erstes zeigte Gina ihnen die Shoppingmall. Sie lag am Stadtrand, war beigefarben und innen eiskalt. Und die meisten Ladenlokale standen leer.
»Daddy sagt, die Mall ist ein Paradebeispiel für den in den letzten Zügen liegenden Kapitalismus«, erklärte Gladys.
»Da hat dein Daddy vielleicht gar nicht so unrecht«, gab Lara zurück.
»Ganz am Ende gibt es einen JC Penney«, sagte Gina. »Da könntest du dich mal umsehen. Wir gehen derweil zu Payless und schauen, ob wir ein paar billige Schuhe finden, die nicht potthässlich aussehen.«
Lara zog mit Jack zusammen los, der im Buggy saß und schlief. Ein kurzer Rundgang durch die menschenleeren Verkaufsräume von JC Penney offenbarte, dass es dort nichts zu kaufen gab, was Bella oder Olly freiwillig angezogen hätten. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, bis Gina und die Mädchen fertig waren, machten sie eine Runde durch die Mall. Bis auf Radio Shack verkauften sämtliche Geschäfte, soweit sie noch geöffnet waren, Dinge, die niemand brauchen oder wollen konnte – »Geschenkartikel« wie Traumfänger aus Plastik, unoriginelle Kühlschrankmagneten oder widerliches synthetisches Potpourri, dessen Gestank das gesamte Gebäude verpestete. Ganz hinten
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