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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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trennten, klebte ihnen die Kleidung am Körper.
    Lara ging als Letzte und betrachtete ihre Familie von hinten. Die zierliche Bella und der lange Olly zankten sich wegen irgendetwas. Ganz vorn hüpfte Jack an der Hand seines Vaters daher und redete ohne Punkt und Komma. Am Tonfall von Marcus’ Einwürfen – »Im Ernst?« und »Na, das ist ja toll« – erkannte sie, dass kein Wort von dem, was sein Sohn ihm erzählte, bei ihm ankam.
    Einen Moment lang sah Lara die anderen, als wäre sie selbst gar nicht da – als befände sich ein Teil von ihr noch immer irgendwo hoch über dem Atlantik und wäre noch nicht ganz angekommen. Sie musterte jeden Einzelnen und dachte bei sich, dass sie sehr gut ohne sie auskamen. Das war ein beruhigender Gedanke.
    Sie blieb stehen, streckte die Arme und gähnte, wobei sie Augen und Mund so weit aufriss, wie sie nur konnte, und die warme, nach Bäumen duftende Luft trank, als wäre sie Medizin, die sie wieder heil machen würde.
    »Machst du Pause?« Marcus drehte sich um.
    »Ich lasse bloß alles auf mich wirken«, antwortete sie.
    »Du hättest dich heute Nachmittag wirklich hinlegen sollen«, sagte er. »Du warst den ganzen Tag in Aktion.«
    »Seht mal, die Bücherei«, rief Lara, als sie sich dem weißen Gebäude mit dorischen Säulen näherten.
    »Wow« , sagte Bella. »Die Bücherei .«
    »Das ist wirklich die niederste Form von Witz«, warf Marcus ein.
    Lara stieg die steinernen Stufen zum Eingang hoch und wollte die Tür öffnen, die jedoch verschlossen war. Auf der Veranda stand ein Aufsteller mit einem dilettantisch gestalteten Poster. Sollten sie jemals beschließen, im typographisch verarmten Trout Island zu bleiben, würde an Kunden kein Mangel herrschen, dachte sie. Auf dem Poster war das sommerliche Veranstaltungsprogramm der Bücherei abgedruckt. Sie ging dichter heran, um die winzige Schnörkelschrift zu entziffern.
    »Es gibt hier jeden Donnerstag eine Aufführung für Kinder«, rief sie den anderen zu, die vor den Stufen auf dem Gehweg stehen geblieben waren. »Diese Woche spielen sie Füchschen Popüchschen und Hühnchen Popünchen . Da gehen wir hin, Jacko.«
    Jack jubelte.
    »Ich glaube, das wird ihm besser gefallen als das, was er heute Abend zu sehen kriegt«, sagte Bella, als Lara wieder zu ihnen auf den Gehweg kam.
    »Unsinn, es wird fantastisch«, widersprach Marcus, als sie in die Straße einbogen, in der das Theater lag. »Und seht nur: Der ganze Ort ist auf den Beinen!«
    Tatsächlich, die First Street war voller Autos. Menschen tummelten sich in Grüppchen auf dem Rasen vor dem Theater. Einige hatten sich, für die Tageszeit nicht ganz passend, herausstaffiert, als wollten sie in die Oper: die Frauen in langen Röcken und Blusen, die Männer in glänzenden Anzügen. Andere waren legerer gekleidet und trugen das, was in Warenhäusern gemeinhin unter »Freizeitkleidung« firmierte.
    Den Rasen zu betreten, in den bläulichen Schatten des Theatergebäudes einzutauchen, war wie auf eine Gartenparty zu kommen. Überall um sie herum lachten Menschen, begrüßten sich, verteilten Küsschen und schüttelten Hände. Hinter zwei Tischen standen mehrere ältere Frauen und boten Backwaren an, die reißenden Absatz fanden: Brownies, große Stücke Kirschpie und etwas, was wie Karottenkuchen aussah. Lara fragte sich, wie man bei der Hitze ein großes Stück Kuchen essen sollte.
    »Jetzt könnte ich sterben für ein Bier«, verkündete Marcus und lotste sie alle auf die Veranda hinauf und bis zu deren Ende, wo ein alter Mann mit einem grünen Sonnenvisier auf dem Kopf Dosen aus einer Kühlbox von der Größe eines Sargs verkaufte. Doch als Marcus ihn nach einem Bier fragte, lachte der Mann und entblößte dabei unfassbar weiße gerade Zähne.
    »Ha, verdammt, lassen Sie das bloß Martha nicht hören«, sagte er und zeigte auf die größere der beiden Kuchendamen. »In Trout Island sind wir seit fast hundert Jahren trocken.«
    »Trocken?«
    »Kein Verkauf von Alkohol erlaubt, Sir.«
    »Aber ich bin mir ganz sicher, dass es im Laden Bier gab«, entgegnete Bella.
    »Nun ja, stimmt. Das wurde letzten Sommer durchgesetzt«, sagte der alte Mann und kratzte sich am Ärmel seines zitronengelben Polyesterhemds. »Aber Martha will davon nichts wissen. Sie sagt, deswegen hatten wir letztes Jahr den ganzen Ärger. Wegen dem Bier.«
    »Ärger?«, fragte Olly.
    »Mit den jungen Leuten«, erwiderte der Alte. »Irgendein Unfug mit einem Gewehr, Unfall bei der Jagd, Sie wissen, was ich

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