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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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weich und sonor und hatte einen Südstaateneinschlag, eine Blanche-Dubois-Intonation, die perfekt zur Schlafzimmereinrichtung im schmuddeligen zweiten Zuhause der Familie Wayland gepasst hätte.
    »Nicht schon wieder.« James seufzte. »Ich dachte, das hätten wir geklärt.«
    Betty nahm Lara und Marcus mit gespitzten Lippen und einer leichten Neigung des Kopfes zur Kenntnis. »Hi. Ich bin Betty. Ihr müsst Marcus und Lara sein. Ich bin entzückt, eure Bekanntschaft zu machen.« Sie nickte, dann wandte sie sich wieder James zu. »Madame behauptet, sie könne in dem Kleid nicht singen. Behauptet, sie bekäme keine Luft . Ich habe ihr gesagt, das sei alles eine Frage der Kontrolle. Das ist exakt dieselbe Art von Kleid, die ich in Marguerite im Cavern Club Theatre in Silverlake anhatte. Und ich habe darin acht Monate lang sechs Abendvorstellungen plus zwei Nachmittagsvorstellungen pro Woche gesungen. Es liegt nur daran, dass sie so unglaublich fett geworden ist, seit ich bei ihr Maß genommen habe, und jetzt ist das verdammte Ding zu eng.« Betty bückte sich, hob das Kleid auf und hielt es sich vor den strichdünnen Körper. »Außerdem gibt es gar keine Alternative. Sie muss es tragen. Ach, James, mein Süßer, würdest du zu ihr gehen und ihr das sagen? Mir geht ihr Theater so was von auf die Möpse.«
    James blies die Backen auf, nahm Betty das Kleid ab und verschwand durch die Tür unter der Treppe.
    »Und jetzt hat er auch noch angefangen. Sagt, seine Schuhe würden drücken. Ich geb’s auf mit den beiden«, grummelte Betty und folgte James zur Treppe. »James, Täubchen, ich sage dir, das ist das letzte Mal, dass ich mit so einer Horde von –«
    Glücklicherweise schnitt die hinter ihr ins Schloss fallende Tür Bettys letzte Worte ab. Lara und Marcus blieben allein im Foyer zurück. Einen Moment lang war nichts zu hören bis auf das leise mechanische Klicken des sich drehenden Deckenventilators, der für eine kühle Brise sorgte, von der Lara auf den Armen eine angenehme Gänsehaut bekam.
    »Noch Prosecco?«, fragte Marcus und schenkte ihnen beiden die Gläser wieder voll.
    »Ganz schön dreist«, lautete Laras Kommentar. »Das also ist Betty.«
    »Ja.«
    »Formidabel.«
    »In der Tat. Das Musical ist eigentlich ihre Lebensgeschichte, mit ein paar Ausschmückungen.«
    »Ich glaube nicht, dass sie allzu viele Ausschmückungen braucht.« Auf einmal kam sich Lara in ihrem figurumschmeichelnden Boden-Kleid furchtbar gewöhnlich vor. Wie ein Gänseblümchen neben einer Orchidee. Sie trank einen Schluck von ihrem Prosecco und stieg dann langsam die geschwungene Treppe hoch, um die gerahmten Plakate vergangener Produktionen der Trout Island Theatre Company, mit denen die Wände geschmückt waren, zu betrachten.
    »Die sind wirklich ganz schön hässlich«, raunte sie Marcus zu, der sich zu ihr gesellt hatte. Die Plakate waren alle in demselben Stil gehalten: wirklichkeitsgetreue, steife Fotos, die den Stückinhalt wiedergaben. Hamlet zeigte einen Mann, der einen Totenschädel in der Hand hielt, Hedda Gabler eine Frau mit einer Pistole. Die Typographie war – nicht weiter überraschend – ein einziges Durcheinander. Auf einem der Plakate zählte Lara ganze sieben Schrifttypen, einschließlich der abscheulichen Comic Sans.
    »Bestimmt hat sich jemand viel Mühe damit gegeben«, wandte Marcus ein, um eine positive Einstellung bemüht.
    »Und das Repertoire ist auf jeden Fall sehr anspruchsvoll. Meinst du, ich sollte beim Design meine Hilfe anbieten?«, fragte Lara.
    »Findest du denn, dass es nötig ist?«, fragte Marcus zurück und verzog das Gesicht.
    Sie sah ihn aufmunternd an. » Macbeth wird großartig«, meinte sie.
    »Ja, ja. Natürlich.«
    »Kann ich Ihnen helfen?« Eine Stimme aus dem Foyer unter ihnen ließ sie beide zusammenfahren. Sie drehten sich um und sahen eine rundliche junge Frau hinter dem Kassentisch stehen. Sie hatte lange strohblonde Haare, die ihr bis zum beachtlichen Hinterteil reichten. »Eigentlich«, sagte sie und pappte sich ein steifes Lächeln ins Mopsgesicht, »dürften Sie noch gar nicht hier drin sein.«
    »Oh, James hat uns reingelassen«, erwiderte Marcus und stieg die Treppe wieder hinunter.
    »Ah! Dann sind Sie bestimmt Marcus Wayland«, sagte die Frau. »Das hört man gleich an Ihrem Akzent. Willkommen in Trout Island.« Sie wischte sich die Hand an ihrer bis kurz vor dem Zerreißen gespannten Jeans ab und streckte sie Marcus hin. Lara fand, dass sie so aussah, als müsse sie

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