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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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Weltbewegendes, aber immerhin kann ich so ein bisschen Erfahrung sammeln.«
    »Dann willst du auch Schauspieler werden?« Lara kam sich vor, als verhöre sie einen potentiellen Schwiegersohn. Ein Schauspieler war nicht gerade das, was sie sich für ihre Tochter erhoffte.
    »Genau. Im Herbst gehe ich auf die Juilliard. Endlich weg aus Trout Island.« Er beugte sich an Lara vorbei und warf den aufgesammelten Müll in den Container auf Jacks Unterhose.
    Er ist wirklich sehr gut aussehend, dachte Lara.
    »Sean? Wo ist mein Sean?« Betty kam aus dem Bühneneingang geeilt. »Oh, du bist bei der kleinen Mamacita . Hallo, Liebes.« Sie ging zu Lara und gab ihr einen Kuss auf die Wange, als wären sie beste Freundinnen. »Na, für euch haben wir später aber noch eine Überraschung.«
    »Ist mir zu Ohren gekommen«, sagte Lara.
    »Und, hast du schon eine Ahnung, was es sein könnte?«
    »Nicht die geringste.«
    »Von mir erfährst du nichts, Schatz.« Betty legte einen manikürten Finger an die Lippen. »Und jetzt komm, Sean, mein Liebling, die Vorstellung spielt sich nicht von allein, hab ich recht? Wir brauchen dich.« Sie legte ihm den Arm um die Schultern und führte ihn nach drinnen.
    Auf ihrem Weg zurück ins Foyer beschloss Lara, Marcus nichts von dem zu sagen, was sie mit angehört hatte. Immerhin hatte der Zwischenfall gezeigt, dass Betty Stil und Köpfchen besaß, vielleicht hatten sie und James also tatsächlich ein ernstzunehmendes Stück auf die Bühne gebracht.
    Wie sich herausstellte, war das nicht der Fall.
    Set Me On Fire! hielt wenig positive Überraschungen bereit. Das Stück war die vorhersehbare Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte einer jungen Südstaatenschönheit, die sich – teils dank ihrer wilden Entschlossenheit, teils aufgrund einer Begegnung mit einem Engel, der ihr großen Ruhm prophezeite – bis ganz nach oben kämpfte. Dabei ließ sie sich weder von brutalen Liebhabern, skrupellosen Managern noch vom pöbelnden Publikum einer Provinzkneipe aufhalten. Lara war sich sicher, dass Bettys wahre Biographie wesentlich interessanter war, als das nichtssagende Sing-und-Tanz-Spektakel vermuten ließ, nicht zuletzt da sie, anders als ihre Figur im Stück, nicht wirklich eine Frau war.
    Als Pearl, Bettys Bühnen-Alter-Ego, war June Turpin zu Beginn des Stücks, als sie eigentlich sechzehn hätte sein sollen, mindestens dreißig Jahre zu alt. Ihr Kostüm in Form eines schlackernden Lumpenkleids mit Zöpfen brachte ihr einen lauten Lacher von Olly ein, den sie, dem flüchtigen Dolchblick nach zu urteilen, den sie ihm zuwarf, eindeutig gehört hatte.
    Das restliche Publikum allerdings war von Set Me On Fire! begeistert. Die Tanzeinlagen waren nicht die schlechtesten, musste Lara zugeben, und fast jede Nummer bekam stehende Ovationen.
    Das Klatschen war das Einzige, was Jack Spaß machte, und Lara hatte alle Hände voll damit zu tun, während der übrigen Zeit dafür zu sorgen, dass er nicht störte. Sie war geübt darin, mit kleinen Kindern ins Theater zu gehen, und hatte vorsorglich drei Karamelllutscher eingesteckt. Auf diese Weise war er beschäftigt oder zumindest ruhig – ganz im Gegensatz zu seinem großen Bruder, der einfach nicht stillsitzen konnte.
    »Würdest du bitte aufhören, so rumzuzappeln?«, zischte Marcus, der sich über Lara hinwegbeugte und Olly aufs Knie klopfte.
    Als die Saallichter zur wohlverdienten Pause angingen, warf Lara einen Seitenblick auf Marcus. Er hatte große Mühe, an der Illusion festzuhalten, dass er durch dieses Theater groß rauskommen würde.
    »Du meine Güte«, sagte eine Frau mit einem adretten glänzenden weißen Bob zu ihrem Begleiter, als sie sich aus ihrer Sitzreihe zwängte und mit dem Programm Luft zufächelte. »War das nicht einmalig?«
    Von ihren Plätzen im vorderen Bereich des Saals aus ließ Lara den Blick über die anderen Zuschauer schweifen, als diese das Theater verließen. Abgesehen von einigen Teenagern, die gegen ihren Willen hergeschleppt worden waren und eine Aufsässigkeit ausstrahlten, die noch größer war als die von Olly, gab es kaum jemanden unter sechzig.
    Die Waylands waren die Einzigen, die noch saßen. Verhältnismäßig jung, britisch und in den vom Koffer zerknitterten Kleidern wirkten sie ein wenig fehl am Platz. Als die letzte alte Dame Richtung Ausgang schlurfte – zweifellos mit Kurs auf den Kuchenstand –, spürte Lara ein Prickeln im Nacken, als stünde jemand direkt hinter ihr.
    Sie drehte sich auf ihrem

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