Hautnah
weiter.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, zog an seiner Zigarette und lachte leise. Der Geruch von Marihuana wehte zu ihnen herüber.
»Arschloch«, knurrte Sean halblaut. »Komm, Bella.« Er nahm sie an der Hand und ging mit ihr zusammen vom Teich weg, zurück den Hang hinauf.
»Nimmst du sie mit ins Maisfeld, Junge?«, rief Tony ihnen hinterher. »Für eine kleine Nummer im Stroh?« Eine Salve Marihuana-geschwängerten Gelächters verfolgte sie.
»Wer war das?«, fragte Bella, sobald sie außer Hörweite waren.
»Tony Marconi«, erwiderte Sean. »Wichser.«
»Hat der nicht bei den Sopranos mitgemacht?«
»Genau. Wichser.«
»Ganz ruhig.« Bella lächelte ihn an.
»Sorry. Aber er behandelt mich wie den letzten Trottel, nur weil ich von hier bin und nicht aus New York City.«
»Nicht besonders nett von ihm.«
»Nein.«
»Ich finde nicht, dass du ein Trottel bist«, sagte sie.
Sie waren am geöffneten Tor der verfallenen Scheune angelangt. Mondstrahlen durchschnitten kreuz und quer die Dunkelheit im Innern. Sie fielen durch die breiten Ritzen in den Holzwänden herein und ließen die Umrisse von Stapeln aus uralten, vor langer Zeit ausgemusterten Landwirtschaftsmaschinen erkennen. Der Anblick wirkte irgendwie unecht, und Bella musste an das Bühnenbild eines der Stücke ihres Vaters denken, das sie sich hatte anschauen müssen. Der Kirschgarten, genau, so hatte es geheißen. Ein schwacher, aber deutlich wahrnehmbarer Tiergeruch stieg von den alten Strohresten auf, die in den verwitterten Stallboxen an der Seite der Scheune lagen. Bestimmt reichte ein scharfer Windstoß, um alles zum Einsturz zu bringen.
»Komm«, bat Sean und betrat die Scheune.
»Ist es da drin auch sicher?«, fragte Bella, die daran dachte, was ihre Mutter gesagt hatte.
»Klar. Ich war schon oft hier drinnen.«
Wider besseres Wissen folgte Bella ihm in die gefährliche Kulisse hinein. Sean zog sie weg vom Türrahmen, tiefer ins Innere. Dann nahm er sie in die Arme und beugte sich zu ihr herab. Endlich küssten sie sich.
Bella spürte, wie sich alles drehte, als sie die Augen schloss. Die Aufregung, die seit der Begegnung mit Sean am Vormittag in ihr geschwelt hatte, entlud sich endlich, bis sie irgendwann gar nicht mehr wusste, wo sie aufhörte und er anfing.
Sean hatte die Arme um sie geschlungen, und seine Hände wanderten unter dem kurzen Kleid ihren Rücken hinauf; seine Haut war an ihrer. Sie wollte, dass er sie hochhob und mit sich forttrug, wohin auch immer. Sie spürte, wie hart er war, als sie sich aneinanderpressten.
»Bella, was soll der Scheiß?«
Sie fuhren auseinander, als sei die magnetische Polung, die sie zusammengehalten hatte, plötzlich umgekehrt worden.
Im Tor der Scheune stand Olly. Er schwankte leicht, und seine Lippen zuckten. Er sah aus, als stünde er ganz kurz vor der Explosion.
»Mum hat gesagt, ich soll dich holen, weil das Essen fertig ist, und dann finde ich dich hier drin. Was machst du da, verdammte Scheiße noch mal?« Er funkelte Sean an.
»Alles locker, Mann.« Sean hob die Hände.
»Nichts ist ›locker‹, ›Mann‹.« Olly trat auf Sean zu und kam ihm mit seinem Gesicht ganz nahe. Er hatte einen seltsamen Ausdruck in den Augen, als wäre er besessen. Bella sah diesen Ausdruck nicht zum ersten Mal, und er behagte ihr gar nicht.
»Olly, das ist Sean«, sagte sie. »Er ist –«
»Jemand, den du offenbar schon ziemlich gut kennst«, unterbrach Olly sie. »Los, raus hier, Bella.«
»Du bist nicht mein Aufpasser.«
»Mum hat gesagt, wir sollen hier nicht reingehen.«
»Als ob es dich interessieren würde, was Mum sagt.«
»Das werde ich Jonny erzählen.« Olly machte einen Schritt auf sie zu, um sie am Arm zu packen. Die Sehnen an seinem Hals traten hervor, als er nach ihr griff.
»Verpiss dich.« Bella schlug ihn beiseite. »Und ich glaube nicht, dass Jonny derjenige ist, der damit ein Problem hat, stimmt’s, Olly?«
Erneut wollte Olly nach seiner Schwester greifen.
»Lass sie in Ruhe«, forderte Sean ihn auf und stellte sich zwischen sie.
»Hör zu, Kumpel, du hältst dich da mal sauber raus.« Olly stieß ihn mit beiden Händen zur Seite.
»Olly, lass das!«, rief Bella und lief zu Sean, der auf den staubigen Boden gefallen war.
»Bella! Olly!«, rief Marcus von irgendwoher. »Es gibt was zu futtern!«
Bella drehte sich zu Olly um. »Der rastet aus, wenn er uns hier findet.«
»Dann komm«, sagte Olly. Er zog seine Schwester von Sean weg, der sich wieder
Weitere Kostenlose Bücher