Hautnah
mehreren abgehackten Schreien ihren übelriechenden Atem ins Gesicht.
Bella wollte mit einem Satz aus dem Bett springen, wurde aber von ihren Bettlaken festgehalten, die sich während der unruhigen Nacht um ihren Körper gewickelt hatten. In Wirklichkeit war das Geräusch, das sie aus dem Schlaf geschreckt hatte, ihr Ventilator, der sich auf seinem weißen Plastikfuß drehte und nach einer strapaziösen Nacht ins Keuchen gekommen war.
Sie wischte sich übers Gesicht und rieb sich dabei schwitzigen Staub in die Haut. Sie war froh, dass sie heute dieses grässliche Haus saubermachen würden. Der Gedanke daran half ihr auch, mit dem dumpfen Gefühl klarzukommen, das sich nach dem, was letzten Abend zwischen Sean und Olly passiert war, in ihr breitgemacht hatte.
Sie schob die Füße in ihre Flipflops, schlurfte durchs Zimmer und schob das Fenster hoch, um die nach Gras duftende Morgenluft ins miefige Zimmer zu lassen. Es war ein letzter Hauch Stinktier zu riechen, aber Bella konnte sehen, dass jemand – oder etwas, vielleicht ein Bär oder ein Wolf – den Kadaver in der Nacht entfernt hatte. Jetzt war nur noch eine blutige Schmierspur auf dem Asphalt übrig.
Sie schaute auf die leere Straße und fragte sich, wie ein derart toter Ort jemanden wie Sean hervorbringen konnte. Aber irgendwas bewegte sich da draußen. Ein Lebenszeichen. Jemand kam aufs Haus zugelaufen. Sie presste die Nase gegen das Fliegengitter.
Es war nur ihre Mutter, in Radlerhosen und einem zu engen Tanktop, die schwitzend und schnaufend den Gehsteig entlangtrabte. Sie schien ein Selbstgespräch zu führen, aber vielleicht redete sie auch mit dem abartig großen schwarzen Hund, der neben ihr hertrottete. Bella versuchte, sich nicht für die wogenden Brüste und wackelnden Schenkel ihrer Mutter oder für ihr hochrotes, von schweißnassen Haarsträhnen verklebtes Gesicht zu schämen. Trotzdem war sie froh, dass niemand in der Nähe war, der sie so sehen konnte. Es sei denn, in der Straße wimmelte es von Leuten, die sich wie sie die Nasen an ihren Fliegengittern platt drückten.
Bella warf sich den Bademantel über und ging nach unten. Alle anderen schliefen noch, sogar Jack. Ein Glück. Als einzige Frühaufsteherin der Familie würde sie ihn unweigerlich am Hals haben, wenn ihre Mutter im Morgengrauen ihre Joggingrunde drehen wollte.
»Hi.« Japsend und schweißtriefend kam ihre Mutter zur Hintertür hereingeplatzt.
»Du warst laufen.«
»Gut kombiniert, Sherlock.« Sie machte einen Ausfallschritt nach vorn und beugte den Oberkörper, um die hinteren Oberschenkelmuskeln zu dehnen.
»Was ist denn das für ein Hund?«
»Ach, das ist mein neuer Freund. Er hat beim Laufen ein Auge auf mich. Hast du Lust auf eine Tasse Tee?«
»Ich mach schon.« Bella schnappte sich einen Topf. »Wo bist du denn langgelaufen?«
»Bis zum Ortsende und dann unten am Fluss um den Schulsportplatz herum.« Lara stand jetzt mit geschlossenen Beinen vornübergebeugt, das Gesicht an den Knien. »Oh«, machte sie und richtete sich auf. Ihr Gesicht war noch röter als vorher. »Wusstest du übrigens, dass es da unten ein Schwimmbad gibt?«
»Nein!« Bellas Neugier war geweckt. Sie schwamm für ihr Leben gern, und es war so heiß hier.
»Wie es scheint, ist es umsonst, und es hat den ganzen Tag geöffnet«, fuhr Lara fort. »Zumindest hat mir das ein netter junger Mann namens Sean gesagt, der dort arbeitet.«
»Oh.« Bella musterte ihre Mutter. Also wusste sie tatsächlich Bescheid. Der Verdacht war ihr gestern Abend schon gekommen.
»Er war noch dabei, alles vorzubereiten, aber es macht um acht Uhr auf, falls du noch kurz schwimmen gehen möchtest, bevor wir hier loslegen. Aber wirklich nur kurz, weil ich nämlich deine Hilfe brauche.«
»Ja, vielleicht mach ich das.« Bella wusste nicht, ob sie sich freuen sollte, dass es einen Pool gab und dass Sean dort arbeitete, oder sich ärgern, weil ihre Mutter nicht nur über ihn Bescheid wusste, sondern sich auch noch mit ihm unterhalten hatte, während sie nichts am Leib trug als schweißgetränkte Sportsachen.
»Aber trink erst noch eine Tasse Tee und iss was«, sagte Lara. »Dann hab ich ein bisschen Gesellschaft.«
Um halb acht hüpfte Bella den buckligen Gehweg entlang in Richtung Schule. Sie hatte sich den Bikini unter Shorts und T-Shirt gezogen und die dunkelrote Sporttasche mit dem Handtuch darin über die Schulter geschwungen. Am Spielplatz angekommen, ließ sie den Blick über die Anhöhe schweifen, auf der er
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