Hautnah
lag. Ein staubiger Trampelpfad führte nach unten zum Baseball- und Fußballplatz. Ihre Mutter musste wohl gemeint haben, dass der Pool dort unten war, also lief Bella den Abhang hinunter. Als sie um eine Kurve kam, stieg ihr bereits ein Hauch von Chlor in die Nase – ein Geruch, der stets Vorfreude auf das blaue Nass in ihr weckte und Lust auf heiße Schokolade aus dem Automaten, die ihre Mutter ihr jedes Mal nach ihren regelmäßigen gemeinsamen Besuchen im Prince-Regent-Bad von Brighton spendierte.
Ganz unten, hinter einem leeren Parkplatz und von einem zwei Meter hohen Maschendrahtzaun umgeben, war das unberührte blaue Rechteck eines Schwimmbeckens auszumachen. An einer Seite des Beckens stand ein kleines Ziegelhäuschen mit drei Türen, auf der anderen gab es einen Sandkasten, ein paar Picknicktische und einige weiße Plastikstühle.
Es schien niemand da zu sein. Das einzige Geräusch, das Bella bei dem Lärm der Grillen, die im Morgensonnenschein ihre Beine aneinanderrieben, hören konnte, war die Beckenpumpe, deren Summen in dem kleinen Talkessel widerhallte.
Sie lief am Zaun entlang und fand das Tor, das jedoch verschlossen war. Auf einem Schild daneben stand, die Öffnungszeiten seien »Mai bis August, Mo bis So, 8.00 h bis 18.00 h, außer bei Gewitter«. Darunter folgte eine lange Liste mit Dingen, die verboten waren. Dazu gehörten das Springen vom Beckenrand, der Genuss von Alkohol, Rennen, Herumtollen oder wildes Spielen, der Verzehr von Lebensmitteln oder Getränken im Beckenbereich oder das Mitbringen von Glas- oder zerbrechlichen Plastikflaschen. Weiterhin wies das Schild die Besucher an, weder allein noch bei weniger als drei Wochen zurückliegendem Durchfall noch bei Gewitter ins Wasser zu gehen und sich vor dem Baden unter der Dusche gründlich zu reinigen. Bella fragte sich, ob man sie einlassen würde, da sie ja ganz offensichtlich allein war.
Der Anblick des Wassers, so nah und trotzdem unerreichbar, machte sie fast wahnsinnig. Selbst zu dieser frühen Stunde war die Hitze bereits unerträglich. Das Blau des Himmels war so satt, dass man es fast hören konnte, und hinten an den Beinen lief ihr schon der Schweiß herunter.
»Hallo!«, rief sie durch den Zaun. »Hallo?«
In dem Häuschen ging eine Tür auf, und ihr Herz machte einen Satz, als der Blick von Seans blauen Augen sie traf. Er trug weite Schwimmshorts und sonst nichts. Ihr fiel sofort auf, wie fest und glatt seine gebräunte Brust war.
»Du bist gekommen«, stellte er fest.
»Ja.« Sie strahlte ihn durch den Maschendraht an.
»Und kein Bruder?«
»Der schläft noch. In den Ferien wacht Olly nie vor elf auf.«
»Komm rein.« Er öffnete das große alte Vorhängeschloss, mit dem das Tor gesichert war. »Morgens ganz früh ist es meistens noch ziemlich ruhig. So gegen neun kommen dann die Mütter mit ihren kleinen Kindern.«
»Das ist so toll«, sagte Bella mit Blick aufs Wasser. Mehr fiel ihr nicht ein. »Und es ist echt umsonst?«
»Alle Ortschaften hier in der Gegend haben ein eigenes Schwimmbad. Die Schüler von der Highschool kümmern sich im Sommer darum.«
»Was ist das da?« Sie zeigte auf das Ziegelhäuschen.
»Umkleide. Sich am Pool umzuziehen ist bei uns nicht erlaubt.«
»So viele Vorschriften.«
»Ach, eigentlich sind wir ganz entspannt. Die Schilder sind bloß dazu da, damit uns niemand verklagen kann.«
»Welche soll ich nehmen?«, fragte Bella.
»Was meinst du?«
»Welche Umkleide?«
»Also, Damen sind da drüben, aber nimm ruhig die für die Bademeister. Gewissermaßen als Freundin des Hauses. Da hast du mehr Platz und deine Ruhe. Mein Kollege Bobby kommt später. Der hat noch einen Termin beim Kieferorthopäden.«
»Meinst du wirklich, das ist okay?«, hakte Bella nach.
»Klar. Geh nur rein.« Er hielt ihr die mittlere Tür auf. »Ich muss jetzt das Wasser abschöpfen.«
Sobald sich Bellas Augen an das Dämmerlicht im Bademeisterhäuschen gewöhnt hatten, erkannte sie einen Schreibtisch mit Stuhl und jede Menge Rettungsausrüstung an der Wand. Auf einer Seite befand sich eine Duschkabine, auf der anderen eine Reihe von Haken, an denen ein Rucksack und ein paar Kleider hingen, wahrscheinlich von Sean.
Bella ging hin und vergrub ihr Gesicht in seiner Jeans. Sie konnte seinen Duft riechen und den würzigen Geruch vom Feuer am Abend zuvor. Mit geschlossenen Augen spürte sie, wie sich ein Kribbeln in ihrem Körper bis zu den Fingerspitzen ausbreitete.
Sie zog ihre Shorts und das T-Shirt aus und
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