Havanna für zwei
sie ihn anriefe, müsste er ja mit ihr sprechen. Da sie eine Geheimnummer hatten, die nicht übertragen wurde, benutzte sie ihr Festnetztelefon.
Er ging prompt ran.
»Hallo, Jack, hier ist Louise.«
»Hallo, Louise«, antwortete er, und sie hörte die Nervosität in seiner Stimme. »Wie geht’s dir?«
»Mir geht’s gut. Ich bin heute in der Stadt und habe mich gefragt, ob du Lust hast, mit mir einen Kaffee zu trinken.«
Schweigen. Dann sagte er: »Okay, wie wär’s gegen elf? Kennst du das Café an der Ecke Pearse Street?«
»Ja. Großartig. Bis dann.«
Er war kurz angebunden gewesen, aber vielleicht lag das daran, dass er bei der Arbeit war.
Sie stieg in die DART-Bahn und zählte die Haltestellen. Ihr schwirrte der Kopf.
Warum traf sie sich überhaupt mit ihm? Lag es nur daran, dass sie ihr Ego aufpäppeln wollte? Donal war so unnahbar, seit er ihr sein Herz ausgeschüttet hatte – ein schrecklich widersprüchliches Verhalten.
Als sie ankam, war es fünf Minuten vor elf, und sie bestellte sich einen Caffè Latte und setzte sich ans Fenster. Das Café war menschenleer, was die bedrohlich zunehmende Arbeitslosigkeit im Land widerspiegelte.
Jack trat um Punkt elf Uhr durch die Tür. Er war ungekämmt und unrasiert, was seine Attraktivität aber nur noch steigerte.
»Louise«, begrüßte er sie förmlich.
»Hallo, Jack.« Sie lächelte ihn unbeschwert an.
Er machte die Kellnerin mit einem Nicken auf sich aufmerksam und bestellte sich einen Caffè americano.
»Also, Louise, was kann ich für dich tun?«
Seine Stimme klang ernst und vernünftig – ganz anders als sonst, wenn er mit ihr sprach. Das brachte sie völlig aus dem Konzept.
»Ich hab mich gefragt, wie es dir so ergeht, und …« Sie kam sich zwar blöd vor, aber sie musste es einfach wissen. »Und warum du meine Nachrichten ignorierst.«
Jack rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. Er wollte sie nicht mit der Wahrheit konfrontieren, aber vielleicht gab es keine andere Möglichkeit, ihr zu erklären, warum er sie nicht wiedersehen konnte.
»Louise, es war schön, dich wieder zu treffen, und ich gebe zu, dass ich oft an unsere schöne gemeinsame Zeit zurückdenke, besonders an unsere gemeinsame Liebe zur Musik.«
Louise nickte. »Die Musik hat mir gefehlt, und ich habe sogar eine Weile wieder gespielt … Bevor mein Vater überfallen und dann operiert wurde.«
»Das ist auch ein Grund, warum ich mich nicht gemeldet habe. Du hast selbst gesagt, dass du viel um die Ohren hast.«
Das stimmte. Louise hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie unter Druck stand.
»Ich weiß. Aber ich hatte eine schlimme Zeit und brauchte jemanden zum Reden.«
Jack hatte Mitleid mit ihr. Er war jetzt ein ganz anderer Mensch als am Ende ihrer Affäre.
»Aber es gibt noch einen Grund …«, begann er.
Louise hing wie gebannt an seinen Lippen.
»Ich wollte es dir nicht erzählen, aber es erklärt vielleicht, warum ich mich von dir fernhalten muss …«
»Was meinst du?«
Jacks Miene war so schuldbewusst, dass es ihm unmöglich war, einen Rückzieher zu machen.
»Vielleicht war es doch keine so gute Idee, miteinander befreundet zu sein. Ich habe während meiner Trennung von Aoife einen schrecklichen Fehler gemacht. Ich …« Er zögerte. »Ich hab mit Sophie geschlafen.«
Nach Louises Gesicht zu urteilen, war sie kurz vorm Explodieren.
»Ich hab dich von Anfang an gewarnt, Sophie diesen Job zu besorgen.« Louise zitterte.
Ihm blieb nur der Versuch, sie zu beschwichtigen.
»Hör zu, ich hab einen Fehler gemacht – eine Nacht mit Sophie –, aber am nächsten Tag habe ich mich wieder mit Aoife versöhnt. Es ist sehr wichtig, dass das unter uns bleibt.« Er bereute sein Geständnis jetzt schon.
Louise schluckte. Sie wusste nicht, ob sie weinen oder sich übergeben sollte. Diesmal war Sophie zu weit gegangen. Sie verspürte den dringenden Wunsch, sie mit bloßen Händen zu erwürgen, wenn sie ihr begegnete.
Jack war erleichtert, als die Kellnerin mit seinem Americano kam und eine kurze Ablenkung bot.
»Danke«, murmelte er und trank einen Schluck.
Als die Bedienung wieder verschwand, herrschte angespanntes Schweigen. Louise war so geschockt, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte. Deshalb sprach Jack zuerst.
»Es war nur eine Nacht. Es hatte nichts zu bedeuten.«
»Warum?«
»Was meinst du mit warum? Deine Schwester ist sehr attraktiv.«
Louise schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass du mir das
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