Havanna für zwei
groß!«, gab Sophie blasiert zurück.
José hatte erst eine halbe Stunde seines Auftritts absolviert und musste noch anderthalb Stunden spielen. Emma hatte das Gefühl, dass sie in der kleinen Bar, in der Dehannys arbeitete, oder in ihrem Hotelzimmer, wo sie über Martin Leon schreiben konnte, besser aufgehoben gewesen wäre.
»Ich möchte zurück ins Hotel. Ist das okay für dich?«, fragte sie.
Sophie verdrehte die Augen. Ihr war das schnuppe. Emma nervte sowieso.
»Geh ruhig. Ich bleib noch, bis José fertig ist, um mit ihm zu reden.«
Emma wusste genau, dass es nicht Reden war, was Sophie im Sinn hatte.
Der Portier rief ihr ein Taxi, und innerhalb von fünf Minuten war sie wieder im Hotel. Die Einsamkeit war herrlich, nachdem sie in den letzten Tagen so viel Zeit mit ihrer Schwester verbracht hatte. Sie brauchte diese Ruhe, um sich darüber klar zu werden, wie sie sich jetzt fühlte, fern von ihrem gut situierten Umfeld und als Single. Es machte ihr nichts aus, nicht mehr Teil eines Paares zu sein. Finn erinnerte sie permanent daran, dass sie eine Beziehung gehabt hatte, aus der ein wunderbarer Mensch hervorgegangen war. Doch da waren immer noch so viele unbeantwortete Fragen. Die Autopsie hatte nicht viel gebracht. Emma konnte von Glück sagen, dass der Pathologe nicht zu viele Fragen über die Gemütsverfassung ihres Mannes vor seinem Tod gestellt hatte, denn dabei handelte es sich um die Art von unglücklichen Umständen, die zu Mord und Totschlag hätten führen können. Doch ohne eine schlüssige Erklärung für seinen Tod hing sie in der Luft. Sie hatte immer geglaubt, sie wären sehr glücklich gewesen. In ihrem Bekanntenkreis gab es nur wenige Paare, die so viele Gemeinsamkeiten hatten und so gut miteinander reden konnten wie sie und Paul. Doch Finn zuliebe war es besser, nicht zu viel über die Umstände seines Todes nachzugrübeln. Sie war jung und stark und musste ihr Leben weiterleben.
José sang den letzten Song seines Sets speziell für Sophie. »Got a Black Magic Woman …«, begann er sanft.
Nachdem Emma weg war, hatte sich Sophie auf dem Rand eines Hockers direkt neben José niedergelassen, und er hatte bei jedem Stück, das er spielte, den Flirt mit ihr genossen. Sie lauschte begierig und sog seine Aufmerksamkeit in sich auf, bis er fertig war.
Er und Sophie hatten einen Mojito nach dem anderen getrunken und glitten langsam in eine Intimität, die den Rest des Publikums in der Bar nicht mit einschloss. Ihm war das egal. In wenigen Tagen wären sie sowieso alle wieder abgereist, genau wie Sophie, und er musste das Beste aus seiner Jugend und seinem guten Aussehen machen, um europäische und kanadische Frauen abzuschleppen, die im Hotel abstiegen. Er hatte schon alles arrangiert – sogar ein freies Zimmer, das ein befreundetes Zimmermädchen ihm jeden Tag am Ende ihrer Schicht verriet. Maria war darauf angewiesen, dass er Frauen aufriss und fette Trinkgelder bekam und ihr einen Anteil davon abtrat, wenn er landen konnte. Von diesem Arrangement profitierten beide, und sie schadeten niemandem damit – solange die Hotelleitung nichts davon erfuhr.
Sophie nippte an ihrem Mojito und sah träumerisch in Josés schokoladenbraune Augen.
»Können wir noch irgendwo hingehen, wenn du hier fertig bist?«, fragte sie.
»Ich weiß ein Zimmer im Hotel, wenn du etwas ungestörter sein willst.«
»Großartig.« Sophie lächelte zufrieden. Sie musste endlich wieder mit einem Mann allein sein. Sie brauchte es so dringend! Mit Paul zu schlafen fehlte ihr schrecklich, und José war genau der Richtige, um sie davon abzulenken. Wenigstens für ein paar Stunden.
Das war genau die Antwort, die José wollte.
»Ich kann nicht glauben, dass ihr euch einfach ein leeres Zimmer genommen habt. Was wäre mit ihm passiert, wenn der Hotelmanager davon Wind bekommen hätte, oder mit dir, wenn die Polizei davon erfahren hätte? Vergiss nicht, dass wir uns in einem fremden Land befinden!«
Sophie verdrehte die Augen. »Entspann dich, Em! Warum musst du immer so paranoid sein? Schließlich ist es sein Land, und José weiß genau, wie man sich mit dem System arrangiert.«
Emma war besorgt, weil sie wusste, wie streng das hiesige Regime war, und sie nicht wollte, dass ihre Schwester sich selbst oder sonst jemanden in Schwierigkeiten brachte.
»Er war fantastisch!«
»Erspar mir die Einzelheiten«, murmelte Emma und hielt die Nase in ihre Tasse English Breakfast Tea.
»Bevor man einen Latin Lover hatte, hat man
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