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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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unserem Schiff jemand fahre, der Hein hieß. Ich bejahte das, denn unser Smutje wurde mit diesem Namen gerufen. Hein Blohm aus Wolgast. Da erzählte mir die Alte, dass sie wieder dieses Gefühl habe … diese pelle d’oca .«
    Aus dramaturgischen Gründen richtete Paul seine Augen auf Manzetti. Wahrscheinlich glaubte er, sein Nachbar würde ihm die drei italienischen Worte übersetzen, um die Glaubwürdigkeit der Geschichte zu erhöhen. Als auch Stefan und Bremer ihre Hälse in Manzettis Richtung drehten, blieb ihm keine andere Wahl.
    »Gänsehaut«, sagte er und tippte den Zeigefinger an die Stirn. Die anderen drei rieben sich sofort die Arme, als bliese ein kühler Wind durch das Tor der Obstanlieferung.
    »Sie hatte also mal wieder die Gänsehaut bekommen«, setzte Paul derweil seine Erzählung fort, »was bedeutete, dass jemand aus dem Leben geschieden war. Und da sie nach Hein Blohm gefragt hatte, konnte das nur bedeuten, dass jemand aus seiner Verwandtschaft gestorben war, denn den Smutje selbst hatte ich ja eine halbe Stunde vorher noch gesehen.«
    »Und?«, bettelte Bremer um die Lösung.
    »Als die Meute in den Morgenstunden wieder an Bord kam, ging auch ein Telegramm ein. Und in dem stand, dass eine Tante von Hein gestorben war.« Er klatschte sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel und beugte sich auf seiner Kiste zurück.
    »Paul«, versuchte Manzetti ein letztes Mal, dem Unfug ein Ende zu setzen. »Das kann sich ja alles so abgespielt haben, auch wenn gerade die alten Frauen in Sizilien einen fast unverständlichen Dialekt sprechen, den du mit Sicherheit nicht verstanden hast. Aber uns geht es um Quittensamen und nicht um Katzen oder alte Weiber.«
    Mit einem Ruck riss sich Paul die Schiffermütze vom Kopf und kippte auf seiner Kiste unglaublich behände wieder nach vorn. »Genau«, schrie er plötzlich wie ein fanatischer Prediger. »Die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende. Auf Befehl des Kapitäns sollte ich die Alte nämlich vor unserem Auslaufen ausfindig machen, was mir auch gelang. Denn selbst auf Sizilien sieht man nicht an jeder Straßenecke alte Frauen, die eine schwarze Katze auf der Schulter spazieren tragen und eine riesige Warze auf der Nase …«
    »Paul«, rief Manzetti ihm zu und hoffte, seinen Nachbarn damit wenigstens zu ein bisschen Wahrheit zu ermahnen.
    »Es kann auch ein Leberfleck auf der Wange gewesen sein«, gestand Paul mit einem schelmischen Lächeln ein, schickte Manzetti aber anschließend einen Blick, der dem einer Hexe in nichts nachstand. »Jedenfalls fand ich sie unweit des Hafens in einem alten fensterlo … in einem Haus mit sehr kleinen Fenstern. Maria hat die Gabe, hatte mir ein Mann hinter vorgehaltener Hand anvertraut, als er mir den Weg zu ihrem Haus wies. Und was das für eine Gabe war, sollte ich schon auf der Schwelle ihrer Kate feststellen. Sie sah mich nur an und erhob einen Arm, dass ich wie festgenagelt stehen blieb. Dann sprach sie zu jemandem, der unmittelbar hinter mir sein musste, den ich aber nicht sehen konnte. Nicht einmal, als ich über die Schulter lugte. Ich kann euch sagen, es lief mir eiskalt den Rücken runter.«
    »Mein Gott«, riefen Stefan und Bremer unisono, was klang, als trällerten sie den Refrain zu einem alten Gassenhauer.
    »In ihrem Viertel behaupteten die Leute, dass Maria einen erdgebundenen Geist mit einem einzigen strengen Blick zur Räson bringen kann. Und genau so einer hatte hinter mir gestanden. Es war der Geist unseres Nachbarjungen, der mit zwölf Jahren unglücklicherweise im Beetzsee ertrunken war. Und seit seinem Tod hatte er sich an meine Fersen geheftet, um wie zu Lebzeiten mein Leben zu vermiesen. Und das hatte er mit Erfolg getan, kann ich euch sagen. Aber Maria hat ihn ins Licht geschickt, und ich war ihn fortan los. Sie hat mir zur Sicherheit das Geistabwehrprodukt schlechthin in die Hosentasche gesteckt und noch eine Tüte voll mitgegeben.«
    Er zog wie auf Bestellung eine Hand voll Quittensamen aus der Tasche und ließ sie zur besseren Betrachtung herumgehen. »Zu Hause sollte ich sie an Türpfosten befestigen, damit alle Geister bereits am Eingang abgewiesen werden.« Paul hob seinen Zeigefinger. »Von da an hatte ich nur noch Glück im Leben. Mir fiel nie wieder etwas runter, und ich wurde noch vor Ablauf der Seefahrt Steuermann, später sogar Kapitän.«
    Stefan, Bremer und selbst Manzetti saßen da wie verzaubert. Die Ehrfurcht vor Pauls Erlebnissen war mit bloßen Händen zu greifen. Paul aber blieb

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