Havelgeister (German Edition)
ungerührt und setzte nur seine speckige Schiffermütze wieder auf. »Da seid ihr wohl auch auf einen gestoßen, der die Gabe hat, was?«
23
Thomas Böttger begrüßte die Journalisten per Handschlag. Wegmann war erstaunt. Der Griff des Bauunternehmers war fester, als er erwartet hatte. Böttger lächelte verhalten. Doch seine blauen Augen blieben kalt, waren an der Begrüßung nicht beteiligt.
»Mein aufrichtiges Beileid«, sagte Karin, und Wegmann schloss sich der Bekundung an. Er selbst hätte wahrscheinlich nicht daran gedacht.
Böttger nickte, ohne das Lächeln einzustellen. »Ich danke Ihnen, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind«, sagte er leise und suchte ganz kurz den Blick seiner Sekretärin. »Frau von Alvensleben, wenn Sie sich bitte um meine Frau kümmern könnten.«
Ohne Worte erhob sich die adlige Dame und entschwand durch die Tür, durch die Böttger in den Raum getreten war. Dann nahm er ihren Platz ein und öffnete beim Hinsetzen sein Sakko.
Verkehrte Welt, dachte Wegmann. Heute ist es das Bürgertum, das den Adel vor die Tür schickt. Er betrachtete den Unternehmer. Anthrazitfarbener Anzug, weißes Hemd, dunkelblaue Seidenkrawatte. Ein Mann von Welt, mit kurz geschorener Frisur, die Koteletten akkurat frisiert, als hätte der Haus-Coiffeur eben erst Hand angelegt.
Der Unternehmer legte die Beine übereinander. »Ich habe mich mit meinem Anwalt und meiner Sekretärin beraten, und wir sind zu dem Schluss gekommen, von Anfang an mit der Presse zu kooperieren. Der tragische Tod von Nepomuk hat alles verändert, und bevor die Wellen der Spekulation über mich und meine Familie hereinbrechen, öffne ich Ihnen die Türen. Ich hoffe, Sie wissen das zu schätzen.«
Das war eindeutig und hieß nichts weiter, als dass sie zu schreiben hatten, was Böttger zuließ. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Für diese Art Freien Journalismus würde Riethmüller schon sorgen.
In Wegmann löste sich die Anspannung. Er war möglicherweise nur das Alibi. Die eigentlichen Artikel waren sicherlich zwischen seinem Chefredakteur und Thomas Böttger bereits abgestimmt. Er konnte also nichts falsch machen. Trotzdem wollte er wissen, wie viel Freiheit sie ihm schließlich lassen würden.
»Herr Böttger, haben Sie eine vorbereitete Presseerklärung, oder darf ich Fragen stellen?«
Thomas Böttger zog die Manschetten seines gestärkten weißen Hemdes über die gebräunten Handgelenke. »Fragen Sie bitte«, sagte er. »Wenn ich eine Presseerklärung vorbereitet hätte, wären Sie nicht hier.«
Das war richtig. Also dann. Wegmann klappte den Notizblock auf und drückte die Kugelschreibermine heraus. »Herr Böttger, während der Pressekonferenz in der Polizeidirektion haben Sie gesagt, dass Sie sowohl der Polizei, als auch der Universität Leipzig vollumfänglich zur Seite stehen werden. Wie haben Sie das gemeint? Geht es dabei um die Mordermittlungen oder um den Codex Sinaiticus.«
»Um beides. Auch wenn es Nepomuk nicht wieder lebendig macht, möchte ich wissen, wer ihn getötet hat und warum. Aber ich empfinde als Brandenburger Unternehmer auch ein hohes Maß an Verantwortung für die Leihgabe der Universität Leipzig. Der Codex Sinaiticus ist ein großer Kulturschatz, der nicht in den Händen von irgendwelchen Dieben bleiben sollte.«
»Und wie darf ich mir Ihre Unterstützung vorstellen?«
»Ich bin kein Ermittler und betreibe auch keine Detektei. Deshalb gilt mein Vertrauen uneingeschränkt der Polizei, was die Aufklärung des Mordes an meinem Sohn angeht. Zumal mir Polizeidirektor Claasen versichert hat, dass der Fall beim LKA in den besten Händen sei und diese Kollegen sich sogar auf die Unterstützung des BKA verlassen könnten. Dafür bin ich dem Herrn Innenminister sehr dankbar.«
»Wenn sich das LKA oder wie in diesem Fall sogar das BKA einschalten, dann liegt die Vermutung nahe, dass die Motivlage in dem Mordfall eine gewisse Brisanz hat. Was wissen Sie darüber?«
Böttger zuckte mit den Schultern. »Das sind Ermittlungsdetails, die sich meiner Kenntnis entziehen. Ich empfehle, darüber mit den Dienststellen der Polizei zu reden.«
»Okay«, sagte Wegmann. So leicht ließ sich Böttger offenbar nicht aufs Glatteis führen. Diese Nuss war härter.
»Können Sie sich vorstellen, dass LKA und BKA eingeschaltet wurden, weil Sie eine, wie soll ich es ausdrücken, eine sehr exponierte Stellung in der Gesellschaft innehaben?«
»Unter uns, Herr Wegmann«, sagte Böttger und beugte sich zu dem
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