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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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mit ihm geredet. Das habe ich gesehen.«
    »Er hat mich nur gefragt, was ich so spät noch hier draußen will?«
    »Und was hast du ihm gesagt?«
    »Dass wir von der Schule den Auftrag haben, die Wasservögel in den Erdlöchern zu beobachten. Das hat er mir geglaubt, wie auch meine Eltern, und mir viel Glück gewünscht.«
    Glück beim Vögelbeobachten, dachte Kevin. Brauchte man dazu denn wirklich Glück? Die Viecher waren doch einfach da, man musste nur hinschauen.
    »Hast du was zu essen mit?« Er tastete nach dem Rucksack.
    »Gnocchi.« Lara schaltete die mitgebrachte Taschenlampe ein und packte eine blaue Tupperdose aus.
    »Was sind denn Gnocchi?«
    »Woraus die gemacht sind, weiß ich auch nicht«, gestand sie. »Aber sie schmecken unglaublich lecker. Meine Mutter macht die besten Gnocchi der Welt. Übrigens nach einem Rezept meiner italienischen Oma.«
    Kevin öffnete die Dose und stach dann den Löffel in die duftende Masse. Gnocchi in einer Käsesoße. Lara hatte Recht. Das Zeug schmeckte wirklich klasse, auch kalt.
    »Kevin?«, wandte sie sich an ihren Freund, der mehr schlang, als dass er aß. »Hast du etwas mit dem Codex Sinaiticus zu tun?«
    Er sah sie überrascht an und schluckte die Ladung runter, die auf seiner Zunge lag. »Womit?«, fragte er und schob sich einen weiteren Löffel Gnocchi in den Mund.
    »Mit dem Codex Sinaiticus. Mein Vater hat heute meiner Mutter erzählt, dass eine wertvolle und uralte Bibelschrift aus dem Dom verschwunden ist und man euch verdächtigt. Den Raub des Codex bringt man mit dem Graffiti auf dem Dach des Doms in Verbindung und glaubt, dass Nepo deshalb getötet wurde. Jetzt hat das Landeskriminalamt die Ermittlungen übernommen.«
    Mit dem neuen Happen hatte Kevin einige Schwierigkeiten. Er blieb ihm fast im Hals stecken und als er ihn endlich hinuntergewürgt hatte, wusste er kaum, was er auf Laras Verdächtigung antworten sollte. »Du meinst, die Bullen glauben, dass wir den Dom ausgeraubt haben?«
    Lara nickte. »Ja, und dass du Nepo deshalb getötet hast. Quasi, um allein die Beute verkaufen zu können.« Sie räusperte sich. »Kevin, sag mir, dass das nicht stimmt.«
    Kevin stellte die Tupperdose vor sich auf den Boden. »Lara. Du darfst ihnen nicht glauben. Nepo war wie ein Bruder zu mir.«
    Lara schien noch nicht gänzlich überzeugt. Sie holte tief Luft. »Auch Kain und Abel waren Brüder.«
    »Lara, hör auf mit dem Quatsch. Niemals hätte ich Nepo auch nur ein Haar krümmen können. Und wir waren mit Sicherheit nicht im Dommuseum. Auch wenn Luc das gerne gemacht hätte. Aber Nepo hat es streng untersagt. Wir sind Sprayer und keine Diebe.«
    »Und warum habt ihr euch getrennt? Du hast mir erzählt, dass du nicht zusammen mit Nepo vom Dach abgestiegen bist. Kann es nicht sein, dass er selbst …«
    »Nein!«, schrie Kevin und hoffte, dass das entschieden genug klang. »Nepo war eine ehrliche Haut. Viel ehrlicher als wir anderen zusammen. Er hätte nie eine Kirche ausgeraubt.«
    Kevin schob die Dose von sich, ohne den Löffel erneut vollzuladen. Von einer Familie, die ihn und Nepo unter einen so schwerwiegenden Verdacht stellte, wollte er nichts mehr annehmen. Das verbot ihm seine Sprayerehre.
    Er hatte schon am Sonntag geahnt, dass etwas schiefgelaufen war. Nepo war nicht wie vereinbart am Parkplatz erschienen, und auch Luc hatte sich später so geäußert, wie Lara jetzt. Eine Sauerei sondergleichen, wie Kevin fand, Nepo so etwas zuzutrauen. Was waren sie denn ohne seine Ideen?
    Er ballte die Fäuste und zischte Lara an: »Du glaubst ihnen, insbesondere deinem Vater, stimmt’ s? Und deshalb hast du mich an die Bullen verpfiffen.«
    »Nein«, entrüstete sich Lara. »Das habe ich nicht.«
    Wieder rutschte Kevin an das Astloch. Aber es war bereits stockdunkel draußen. Er konnte keine zehn Meter weit sehen.
    »Und jetzt haben sie die verdammte Mühle umstellt, um mich hopszunehmen. Du Verräterin.«
    »So ein Quatsch«, verteidigte sich Lara weiter. »Ich gehöre doch auch zum Weißkopfseeadler.«
    Kevin sah zu Lara, deren Gesicht von der Taschenlampe beschienen war. Er stocherte im Nebel seiner Gedanken. Nepo war nicht gekommen, so viel stand fest. Und das reichte für Luc, den Verdacht zu äußern, dass Nepo sie nur ausgenutzt hatte. Vielleicht war ja Luc es, der Nepo umgebracht hatte? Und nun versuchten sie, alles ihm in die Schuhe zu schieben. Luc und diese Schlampe von einer Bullentochter.
    Er nahm Lara die Lampe aus der Hand und schaltete sie aus. »Der

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