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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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hielt Karin am Straßenrand und Wegmann schlüpfte auf den Beifahrersitz. »Sie muss gleich rauskommen«, sagte er und zog die Tür zu.
    »Wer?«, fragte Karin.
    »Christina Böttger. Sie ist mit einem silberfarbenen SLK unterwegs und war eben in der Deutschen Bank. Der geschmeidige Typ hat ihr in seinem Büro einen schwarzen Koffer ausgehändigt. Ich nehme an, dass da Geld drin ist, und meine Nase verrät mir, sie fährt damit nicht nach Hause.«
    Karin sah ihn von der Seite an. »Du läufst jetzt aber nicht irgendwelchen wilden Spekulationen nach, oder? Woher willst du wissen, dass sie in der Bank einen Koffer bekommen hat?«
    Wegmann zeigte Karin den Prospekt, den er noch immer in den Händen hielt, und unterstrich mit dem Finger einen Halbsatz. Neue Wege zu mehr Transparenz. »Gott sei Dank haben sie sich für Glaswände entschieden«, sagte er. »Ich mach dir einen Vorschlag. Wenn sie nach Hause fährt, drehen wir um. Fährt sie woanders hin, bleiben wir dran.«
    Karin wiegte unentschlossen den Kopf hin und her.
    »Komm schon«, bettelte Wegmann und ließ das Heck des SLK nicht aus den Augen. »Sie biegt in die Steinstraße ab. Das ist nicht ihr Heimweg. Gib dir einen Ruck, Karin.«
    »Na gut«, stimmte sie schließlich zu, legte den ersten Gang ein und gab Gas. Die kleine Verfolgungsjagd führte vorbei am Steintorturm, geradeaus über die Bauhofstraße bis zum Zentrumsring, an dem Christina Böttger nach rechts abbog, Richtung Nord und Hohenstücken.
    »Wo will sie hin?«, fragte Karin und blieb etwa hundert Meter hinter dem silbernen Cabrio.
    »Keine Ahnung. Ist jedenfalls nicht die Gegend, in der sich so feine Damen gewöhnlich aufhalten.«
    Am Buchhochhaus bog Karin links ab und suchte das Hinterteil des SLK, das sie für ein paar Sekunden aus den Augen verloren hatte. Aber der Mercedes glitt weiter seelenruhig im Verkehr mit, fuhr über die Gördenbrücke und ordnete sich an der Kreuzung nach links ein.
    Wegmann holte seinen Notizblock hervor und schlug ihn auf. »Wenn sie jetzt in die Alexisstraße einbiegt, weiß ich, wohin sie will.«
    »Und, wohin?«
    Er lächelte überlegen. »243. Da wohnt Kevin Schuster.«
    Bei grün bog Christina Böttger erst nach links und dann nach rechts in die Willibald-Alexis-Straße ein. Wegmann klatschte wie ein reich beschenktes Kind in die Hände.
    »Hier geht es um weit mehr, als dieses Graffiti. Das ist unsere Goldgrube, Karin.«

27
    Kevin war vor knapp fünf Minuten wach geworden. Fünf Minuten, die sich seither in eine Ewigkeit verwandelt hatten. Er fühlte sich schlecht. Der erste Schmerz, den er nach dem Erwachen wahrgenommen hatte, war aus der Mundhöhle gekommen, wo es an mehreren Stellen lichterloh brannte. Aber das war nur die erste Körperqual gewesen, die wenige Sekunden später einem höllischen Kieferschmerz gewichen war, einem, der von enormen Schluckbeschwerden begleitet wurde. Er hatte zwei oder drei Minuten gebraucht, um die Ursache der Kieferschmerzen zu ergründen, dann aber erinnerte er sich an ein altes Buch, in dem er bei Nepo geblättert hatte. Mit dutzenden Illustrationen wurden dort die Foltermethoden der spanischen Inquisition beschrieben. Damals fand Kevin das spannend, hatte das Buch immer mal wieder aufgeschlagen. Heute glaubte er sich selbst der Folter mit einer Mundbirne ausgesetzt.
    Aber auch diese Schmerzen wurden beiseitegeschoben, von neuen, noch viel stärkeren. Sein Rücken pochte, als hätte jemand mit einem Vorschlaghammer darauf gewütet. Um Linderung bemüht, versuchte er immer neue Sitzpositionen aus, ohne großen Erfolg.
    Er schloss die Augen und versuchte, ganz ruhig zu atmen. Jedes Luftholen spürte er wie einen Messerstich. Es war zum Verrücktwerden. Wer steckt einem eine Mundbirne zwischen die Kiefer? Er wusste es nicht. Und auch seine Erinnerung war kein guter Berater. Sie war schwammig, die letzten Stunden fehlten sogar ganz. Kevin wusste nur noch, dass ihn ein harter Schlag getroffen hatte. Und ab da fehlte ihm jede Menge Film.
    Er öffnete die Augen und sah sich um. Wo war er? Vielleicht in einem Keller oder in einem Verlies? Jedenfalls hatte man ihn an einen Ort geschafft, an dem übel riechende Feuchtigkeit aus den Wänden kroch. Und er war festgebunden. Mit dem Rücken an einem Holzbrett, die Hände gegeneinander gefesselt. Etwas lag um seinen Hals, etwas hartes, breit wie ein Gürtel, nur viel steifer. Das Ding machte es Kevin fast unmöglich Luft zu holen, denn es lag so eng an, dass es ständig seinen Hals

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