Havelgeister (German Edition)
ihn gibt, wenn man euch nicht alle überwacht? Und das kann Böttger nicht veranlassen. Dazu braucht er Helfershelfer, und die sitzen nicht in einem Streifenwagen, sondern einige Etagen höher.«
»Aber so intensive Ermittlungen können sehr viel Geld kosten«, mahnte Manzetti.
»Ich weiß. Und wenn unser Geld alle ist, dann nehmen wir welches von deiner Mutter. Sie hat genug davon, es dürfte ihr nicht besonders wehtun.«
Manzetti kannte seine Frau kaum wieder. »Du willst ihr Vermögen anzapfen?«
»Ich gar nicht. Sie hat mich kurz vor deinem Eintreffen angerufen. Sie selbst hat das Angebot gemacht. Du musst ihr nur sagen, um welche Summen es geht, dann überweist sie jeden Betrag, ohne nachzufragen.«
»Aber wie … ich meine, hier ist doch das Benutzen von Handys streng verboten.«
»Ja, aber auch das Einstechen mit einem Messer auf unsere Tochter ist streng verboten. Im Übrigen habe ich mein Handy gar nicht an. Sie hat hier auf der Station angerufen, weil sie nach der Unterhaltung mit dir und nach einem Hinweis von Paul auf einen alten Passat vor unserem Haus der Meinung ist, dass wir observiert werden. Sicherlich werden auch unsere Telefone überwacht.«
Manzetti war baff erstaunt über so viel Geistesblitz. »Und sie bezahlt wirklich jede Summe, ohne nachzufragen?« Er wollte es noch nicht glauben, denn als Kind musste er jede Lira fast erbetteln, auch wenn es nur für ein Gelato war.
»Jede und ab sofort. Wenn du den Kerl nicht findest, wird sie dich enterben, soll ich dir ausrichten.«
Das zu glauben, fiel ihm dagegen nicht sehr schwer, passten doch solche Sätze schon eher zu seiner Mutter. »Und wie kommt ihr auf einen Kerl?«
»Weil Frauen nicht über derart kriminelle Energie verfügen. Es geht hier nämlich wahrscheinlich gar nicht um diesen Codex. Das scheint nur eine Blendgranate zu sein. Da steckt mehr dahinter.«
»Schatz«, sagte Manzetti und löste seine Hand von der seiner Frau, »ich kann dir irgendwie nicht mehr folgen.«
»Bevor Lara eingeschlafen ist, habe ich mit ihr über diesen anderen Jungen geredet. Er war es nicht, der auf sie eingestochen hat.«
»Ich dachte, es sei dunkel gewesen in der Mühle, weshalb sie niemanden erkannt hat.«
»Schon. Aber dieser Kevin ist nach Laras Meinung nicht zu solch einer Tat fähig. Er neige überhaupt nicht zu Gewalt, was wohl an seinem Herzen liegen soll.«
»Wieso, was ist mit seinem Herz?«
»Es ist nicht seins. Er hat genau wie Nepomuk Böttger ein Spenderherz bekommen, das aber nicht sehr leistungsfähig ist. Bei der geringsten Anstrengung, also auch beim Balgen, bekommt er sofort Nasenbluten.«
»Woher weißt du das alles?«
»Von Lara. Deine Tochter ist siebzehn, auch wenn du das nicht wahrhaben willst. Und wenn sie mit ihrem Kevin rumgekuschelt hat, wird ihr die riesige Narbe aufgefallen sein.«
Manzettis Verblüffung wechselte in Begeisterung. »So, so«, sagte er. »Und was hast du noch alles herausgefunden, während ich nur mal eben zur Toilette war?«
»Nichts weiter. Vergiss die Geschichte mit diesen Fantozzis. Deine Mutter hat sie auch mir erzählt. Das ist purer Aberglaube. Lara ist nicht wegen eines alten Fluchs in Gefahr geraten, sondern durch falsche Gesellschaft hier und jetzt. Es geht um Organhandel. Wenn du nicht schnell bist, dann werdet ihr Kevin auch ausgeschlachtet finden.« Kerstin trat ganz dicht an Manzetti heran. »Andrea, ich glaube, da holt sich einer seine Organe zurück.«
35
Den weiteren Tag hatte Manzetti damit verbracht, einen Anwalt aufzutreiben, der Bremer aus der Zelle holen konnte. Bei der Gelegenheit hatte er auch erfahren, welchen Vorwurf man dem Rechtsmediziner gemacht hatte, und der war nahezu lächerlich. Man hatte in seiner Wohnung ein paar Gramm Kokain gefunden, in einem Versteck, das der Doktor im stärksten Suff nicht gewählt hätte. Das Tütchen lag im Badezimmerschrank, gleich neben der Schachtel Aspirin.
Egal, jetzt war Bremer wieder frei, hatte sofort Urlaub beantragt und sich ohne Worte den privaten Ermittlungen Manzettis angeschlossen.
Manzetti löschte das Licht in seinem Arbeitszimmer, klemmte sich die Collegemappe unter den Arm und blickte noch einmal in Paolas Zimmer. Sie schlief, und ihre Großmutter würde sie wie ein Bullterrier bewachen.
Als er aus dem Haus trat, breitete sich ein glasklarer Nachthimmel über ihm aus. Die Sterne funkelten wie kleine Leuchtdioden, manche heller, manche weniger kräftig, und manche, das hatte Manzetti schon als Kind begeistert, gab es
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