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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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nicht, glaube aber nicht daran. Hören wir auf mit dem Blödsinn«, sagte Manzetti plötzlich. »Außerdem will ich auch nicht auf Augenhöhe mit Ihnen kommunizieren. Entweder, wir arbeiten nach meinem Plan oder wir lassen es. Alternativen gibt es nicht.«
    Er hielt Wegmann seine Hand hin. Das war mehr, als Wegmann noch vor einer Stunde erhofft hatte. »Und dann?«, fragte er.
    »Und dann erhalten Sie von mir kleine und große Aufträge und arbeiten die ab. Sie entscheiden nichts selbst und bekommen dafür exklusiv die ganze Geschichte.«
    Wegmann wiegte den Kopf hin und her. »Das ist alles?«
    »Ja«, sagte Manzetti, »das ist alles. Aber ich glaube, dass Sie mit dieser Geschichte ganz groß rauskommen.«
    »Wie groß?«
    »Pulitzer. Mindestens. Außerdem auf den Titelblättern der Times, des Spiegels und anderer Zeitschriften. Wegmann, Sie könnten ein Vermögen machen. Also, was ist?«
    Wegmann zögerte nicht mehr. Er sah auf die Pranke von Manzetti, holte ordentlich aus und schlug ein.

34
    Die Contessa Manzetti schimpfte leise vor sich hin, während ihre Augen auf die Enkelin gerichtet waren.
    Seit sie nicht mehr als Journalistin arbeitete, hatte sie sich voll und ganz zu der italienischen Gräfin entwickelt, von der Manzetti seit frühester Jugend gehofft hatte, ihr nie zu begegnen. All das fortschrittliche und für eine Adlige sehr linke Gedankengut war wie weggeblasen. Sie wetterte auf alles Proletarische, hin und wieder sogar auf den eigenen Sohn, der besser daran täte, sich auf die Rolle des Stammhalters vorzubereiten, als hier in dieser weidwunden Arbeiterstadt stromernden Taschendieben nachzujagen.
    Manzetti hielt es für klüger, seine Mutter grummeln zu lassen. Die Gegenwart von Lara, noch dazu in diesem Zustand, würde sie hoffentlich innerhalb weniger Sekunden zu einem frommen Lamm werden lassen.
    »Andrea, siehst du nicht, dass deine Tochter jetzt schlafen will? Wir sollten ihr die Ruhe gönnen. Bring mich in dein Haus und sorg dafür, dass es Kerstin und Lara hier an nichts fehlt.«
    Da Kerstin ihm heimlich zunickte, erfüllte Manzetti den Befehl seiner Mutter, der lediglich dazu diente, sich allein und unter vier Augen mit dem Sohn unterhalten zu können.
    In seinem Haus angekommen, stellte er das Gepäck in den Flur. Ich habe nur kleines Handgepäck, hatte es noch am Ankunftsterminal in Tegel geheißen, aber das entpuppte sich schnell als ein dreiteiliges Set von Donna Celeste. Der größte Koffer wäre sogar geeignet, ihren Gärtner mit nach Brandenburg zu schmuggeln.
    »Wie viel musstest du dieses Mal für dein Übergepäck bezahlen?«, fragte er und griff sich an den schmerzenden Rücken.
    »Dreihundertzwanzig Euro haben diese Vagabunden verlangt«, fluchte sie auf Italienisch, wohl, um die Ohren von Paola nicht diesem deftigen Wortschatz auszusetzen. Die kleine Manzettitochter aber, die ihre Großmutter schon sehnsüchtig erwartet hatte, hielt sich kichernd die Hand vor den Mund, denn wie alle Manzettis, sprach auch sie perfekt italienisch. Paola hatte sogar erst die Sprache ihres Vaters und dann Deutsch gelernt.
    »Du hast zweiunddreißig Kilo Übergepäck?«, staunte Manzetti nicht schlecht. »Wie lange willst du bleiben?«
    »Das weiß ich noch nicht, und jetzt bring bitte erst einmal meine Koffer in mein Zimmer.« Mit dem Blick zu Paola fragte sie dann noch: »Wo werde ich überhaupt schlafen?«
    Paola hakte sich bei ihrer Großmutter unter und führte sie in Laras Zimmer.
    »Du kannst hier schlafen. Lara geht es zwar schon besser, aber sie muss noch eine Weile in der Klinik bleiben.«
    Manzetti nahm die beiden größeren Stücke in die Hand und sah über die Rückenschmerzen hinweg. Das fiel ihm nicht schwer, denn er war glücklich, wenn er seine Familie um sich hatte. Und seine Mutter gehörte dazu. Das war ihm in seinem Jahr Pause in Italien klar geworden. Es gab nichts, aber rein gar nichts, was ihm die Familie ersetzen konnte. Auch nicht ein ausgefülltes Berufsleben. Seither zeigte er kaum mehr Verständnis für Kollegen, die wegen der eigenen Karriere von Köln oder Düsseldorf nach Brandenburg gewechselt waren und Frau und Kinder, die noch immer am Rhein wohnten, nur alle zwei Wochen für nicht einmal achtundvierzig Stunden zu Gesicht bekamen.
    Verfügten solche Leute überhaupt über soziale Kompetenz?
    Er stellte auch den dritten Koffer vor das neu bezogene Bett in Laras Zimmer und wandte sich an seine Mutter. »Können wir kurz«, sagte er und nickte in Richtung der

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