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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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ein Raser und die brauchen immer eine freie Überholspur.«
    Und die hatte er wohl gerade gefunden, denn als Manzetti wieder zum Monitor sah, öffnete sich die Seite des Landeskriminalamtes.

38
    Die Maschine setzte pünktlich auf der Landebahn auf. Sogar zwei Minuten früher, als es angekündigt gewesen war. Vielleicht wollte der Pilot ins Bett und hatte deshalb ordentlich aufs Gas gedrückt.
    Auch die Passkontrolle verlief unerwartet reibungslos, fand eigentlich gar nicht statt. Der Polizist, der schnauzbärtig und mit kleinen, müden Augen hinter seiner großen Scheibe hockte, winkte Wegmann einfach durch und sah dann von hinten betrachtet aus, als sei er wieder eingenickt. Balkanfeuer, dachte Wegmann und hoffte, am Taxistand mehr Engagement anzutreffen, um die gut 22 km bis in die Stadt nicht zu Fuß zurücklegen zu müssen.
    Aber am Flughafen von Priština herrschten Verhältnisse wie überall auf der Welt. Dicht an dicht warteten die Fahrer auf zahlungskräftige und hoffentlich ortsunkundige Kundschaft.
    Wegmann ließ ein einheimisches Pärchen das erste Taxi besteigen und setzte sich dann in den Fond eines weinroten Passats, Baujahr irgendwo zwischen 1990 und 1995.
    »Englisch, französisch, deutsch?« Die Frau auf dem Fahrersitz drehte ihren Kopf und strahlte ihn aus schwarzen Mandelaugen an, die etwas zu tief in den Augenhöhlen saßen. Die hochgezogenen Wangenknochen ließen ihre Augen noch kleiner erscheinen. Ansonsten sah sie aber aus wie die Mutter oder die Tante der Fußballerin, die, im Kosovo geboren, jetzt für die Deutsche Nationalmannschaft kickte.
    »Deutsch«, sagte Wegmann und hoffte, dass die Taxifahrerin nicht nur gefragt hatte, sondern diese Sprachen auch beherrschte.
    »Dann ist es ja gut«, sagte sie mit einem unverkennbaren Ruhrpottdialekt. »Ich auch, jedenfalls habe ich da sehr lange gelebt.«
    »Wo, wenn ich fragen darf?«
    »In Hückelhoven. Ein komisches Nest. Vierzigtausend Einwohner, die eine Hälfte mit Migrationshintergrund, wie ihr das ausdrückt, und die andere hat in Zeche 3 malocht.«
    »Wozu zählten Sie?«
    »Ich bildete die dritte Hälfte. Migration und Zeche 3. Wo soll’s denn hingehen?«
    Wegmann überlegte. Ja, wohin denn mitten in der Nacht. Darüber hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht. »Kennen Sie ein nettes und nicht zu teures Hotel?«
    »Die meisten Deutschen wohnen im Alexander Palace in Skopje. Das ist zwar nicht sehr weit weg, aber in Mazedonien und auch nicht ganz billig. Zweihundert Euro werden Sie für ein Zimmer schon berappen müssen.«
    »Was sind das denn für Deutsche? Urlauber?«
    Die Taxifahrerin lächelte.
    »Urlauber kommen nicht in den Kosovo. Jedenfalls keine Deutschen. Morgen kommt irgendso eine Delegation mitsamt Minister. Die legen mit unserem Premierminister den Grundstein für die größte Hochspannungsleitung im Land. Die wird auch von euch finanziert, und der Baumeister ist ebenfalls ein Deutscher.«
    Wegmann wurde plötzlich wieder hellwach. »Wissen Sie zufällig, wie der heißt?«
    »Wer?«
    »Na, der Bauunternehmer?«
    Sie lächelte.
    »Böttger. Ist nicht nur der Haus- und Hofarchitekt unseres Premierministers, sondern auch der größte Arbeitgeber in der Region. Auch mein Nachbar fährt bei ihm LKW.« Sie zeigte auf ein überlebensgroßes Plakat, auf dem zwei Männer bedeutsam optimistisch in die Zukunft blickten. Premierminister Thaci und Thomas Böttger.
    Wegmann griff sich an die linke Brust und spürte mit den Fingerspitzen den Umschlag. Was waren denn zweihundert Euro, wenn man über ein Budget verfügte, wie er es gerade tun konnte.
    »Dann bitte in dieses Palace.«
    »Wird gemacht«, quittierte die Taxifahrerin und ließ die Taxiuhr loslaufen.
    »Ich habe noch eine Frage«, sagte Wegmann, als der Passat auf die kaum beleuchtete Straße nach Skopje bog.
    »Und die wäre?«
    »Könnten Sie sich vorstellen, mir morgen den ganzen Tag zur Verfügung zu stehen?«
    Damit würde er mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er hätte einen fahrbaren Untersatz und außerdem eine Deutsch sprechende und ortskundige Führerin, die noch dazu einen atemberaubenden Anblick bot.
    »Eine Frage des Preises«, sagte sie.
    »Nennen Sie mir eine Summe.«
    »Tausend«, schoss sie prompt hervor und Wegmann sah, wie sie ihn über den Rückspiegel beobachtete.
    »Fünfhundert«, hielt er mit Augenkontakt dagegen.
    »Achthundert«, kam es vom Fahrersitz.
    »Okay. Achthundert, ab morgen früh um acht.«
    Plötzlich bremste der Passat hart und

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