Havelgeister (German Edition)
schon seit Millionen von Jahren nicht mehr. Nur ihr Licht hetzte noch durch das Universum, ohne Ziel, in jede Richtung vorstoßend. So wie er.
Als eine leichte Kühle durch sein Hemd drang, schüttelte er sich fröstelnd, schloss die Jacke und stieg in seinen Toyota. Er saß noch nicht ganz, da hatte er schon den Motor gestartet und das Licht eingeschaltet. Dann fuhr er die Dorfstraße entlang.
Etwa in Höhe der Kirche schob sich ein zufriedenes Lächeln in sein Gesicht, als eine schwarze Katze von rechts nach links seinen Weg kreuzte. Es wird gelingen, sagte er da zu sich selbst. Schwarze Katzen hatten ihn noch nie enttäuscht.
Wie verabredet, fuhr er bis in die Grabenstraße vor die Theater klause, stellte sein Auto ab und ging in der Klause am Tresen vorbei bis in das Büro des Wirts. Der empfing ihn mit einem angedeuteten soldatischen Gruß, indem er sich mit dem rechten Zeigefinger kurz an die Schläfe tippte und Manzetti dann die Tür nach hinten öffnete. Sollte ihm jemand gefolgt sein, wäre er an dieser Stelle seinen Schatten fürs Erste los.
Auf dem Hof des Theaters wartete Bremer schon mit laufendem Motor und fuhr sofort los, als Manzetti eingestiegen war.
»Und wenn sie dich auch observieren?«, fragte er und verfolgte, wie Bremer auf die Kanalstraße einbog und dann gleich wieder nach rechts in die Goethestraße.
»Dann ist ihnen jetzt schwindlig, so oft habe ich mich um die eigene Achse gedreht. Aber sie haben mir keinen Schatten gegönnt, diese arroganten Arschlöcher.«
»Wie meinst du das?«
»Sie glauben wirklich, dass sie mich mit ihrer kleinen Festnahme eingeschüchtert haben. Pah. Jetzt erst recht, lautet die Devise, oder?« Bremer grinste wie ein Skatspieler, der als letzte Karte noch den Kreuzbuben in der Hand hielt.
»Hast du die Telefone?«, fragte Manzetti und musste sich kurz festhalten, weil Bremer etwas zu rasant in die Havelstraße einbog. Er hatte ihn beauftragt, drei Prepaid-Handys zu kaufen, damit sie in Notfällen miteinander telefonieren konnten, ohne dass gleich jemand mithören würde.
»Liegen hinten auf der Rückbank. Ich habe vier genommen, denn wir haben einen weiteren Mitstreiter.«
Als sie in die Kurstraße einbogen, sah sich Manzetti noch einmal um, aber ihnen schien wirklich niemand zu folgen. »Und wer ist das?«
»Haralds Sohn«, sagte Bremer und streckte den rechten Daumen in die Höhe. »Der Junge ist ein Genie und wir fahren jetzt zu ihm.«
Manzetti drückte Bremers Daumen nach unten. »Ich weiß nicht, ob ich ihm trauen kann.«
»So, wie du mir vertraust.«
»Und warum fahren wir dann so spät zu ihm? Wäre das nicht auch schon heute Nachmittag gegangen?«
Bremer schüttelte den Kopf. »Nein. Sebastian sagt, dass er nachts auf der Autobahn freie Fahrt hat. Und die werden wir brauchen.«
36
Henry Wegmann lehnte sich in die weiche Rückenlehne und schaute aus dem Fenster. Die Bombardier CRJ 200 hatte sich nach dem Start noch im Steigflug in eine Linkskurve gedreht, so dass er ohne sich den Hals zu verrenken, auf die Lichter von Lubljana schauen konnte. Viel war von der slowenischen Hauptstadt nicht zu erkennen. Man verwandte die Straßenbeleuchtung nur spärlich, was ökologisch sicherlich kein Nachteil war. Wer brauchte Städte, in denen ein Großteil der Stromkosten für schillernde Werbeleuchten ausgegeben wurde?
Wegmann konnte noch immer nicht glauben, was ihm heute widerfahren war. Den Schreck noch in den Gliedern, der bei der Begegnung mit Manzetti ausgelöst worden war, tauchte am Nachmittag dieser Rechtsmediziner auf, gerade erst aus dem Polizeigewahrsam entlassen, und drückte ihm ein nagelneues Handy in die Hand. Ausschließlich das solle er verwenden, wenn er mit ihm oder mit Manzetti sprechen wolle, die beiden Nummern seien bereits eingespeichert. Dann legte er noch einen Umschlag vor Wegmann auf den Tisch, in dem zweitausend Euro sowie ein Flugticket von Berlin nach Priština steckten, via München und Lubljana. Achthundert Euro hatte das Ticket gekostet. Auf die Frage, woher das Geld sei, hatte er keine Antwort bekommen.
Wegmann zog in der abgedunkelten und mit etwa fünfundzwanzig Passagieren nur zur Hälfte besetzten Kabine den Umschlag aus der Jackentasche und hielt ihn sich unter die Nase. Tief sog er die Luft durch die Nasenflügel, und tatsächlich, das Geld stank nicht.
Er drückte auf den gelb leuchtenden Knopf über seinem Kopf und sah dann zu, wie die junge, dunkelhaarige Frau in dem Kostüm von Adria Airways durch den Gang
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