Havelsymphonie (German Edition)
Familie ist später nach Norddeutschland gezogen, in ein ganz kleines Dorf in der Nähe von Kiel. Ich glaube, es hieß Sprenge oder so.“
„Den Namen, Frau Walter. Ich brauche den Namen.“
19
Draußen fuhr ein Lastwagen vorbei und machte polternd auf sich aufmerksam. Manzetti stand am Fenster und schaute in den düsteren Morgen. Dieser Herbst schien sehr festzusitzen, nur die Sonne blieb dabei gut unter Verschluss.
Er wählte die Nummer, die ihm Julia Küpper gestern gegeben hatte und die so etwas wie die Klingel nach dem Personal war. Jedenfalls hatte Julia all ihre Dienste versprochen. Aber nun ging sie doch nicht ran.
Es war Donnerstag, acht Uhr und Manzetti stand unter Druck. Er musste weiterkommen, Steinchen für Steinchen nebeneinander legen, um Gisela Goldberg zu stoppen, bevor die wieder zuschlagen würde. Er jagte Gisela Goldberg, davon war er zutiefst überzeugt.
Fast die ganze Nacht hatte er mit einigen Kollegen im Dortmunder Polizeipräsidium gesessen und in all das Einsicht genommen, was irgendwie mit ihr im Zusammenhang stand. Gegen zwei Uhr, endlich, waren sie damit fertig, hatten auch mit einem halben Dutzend amerikanischer Dienststellen gesprochen, aber klüger waren sie dadurch nicht geworden. Ein einziges Blatt Papier hatte Manzetti in den Händen gehalten, die magere Ausbeute an neuem Wissen, und das Blatt enthielt auch noch einen Hinweis, der den Faden der Erkenntnis abreißen ließ. Gisela Goldberg wollte in die USA auswandern, ist dort aber nie angekommen, und in Deutschland fehlte von ihr seither jede Spur.
Und das hatte Manzetti in der letzten Nacht nicht einschlafen lassen. Auch jetzt hielt ihn die Frage nach dem Verbleib von Gisela Goldberg von weiteren Gedanken ab.
Im Fahrstuhl in die erste Etage, wo der Frühstücksraum lag, versuchte er Sebastian Hendel anzurufen, musste aber schnell einsehen, dass Fahrstühle ähnlich gut abgeschirmt waren, wie das Kanzleramt. Als er endlich den Frühstücksraum betrat, probierte er es erneut, aber auch Hendel schien es mit Telefonen zu halten, wie die junge Julia Küpper.
Er goss sich Kaffee ein, legte erst vier Scheiben Mozzarella und eine gute Handvoll Tomatenstückchen auf seinen Teller, nach kurzer Überlegung aber noch einmal drei Scheiben des kalorienreichen Käses. Es war nicht zu erwarten, dass Kerstin mit mahnendem Finger durch die Tür treten würde.
Dann hielt er Ausschau nach einem freien Tisch. Als er endlich saß und sein Frühstück vor sich hatte, wählte er wieder die Nummer von Julia Küpper. Beim vierten Klingeln traten Sonja und die Dortmunder Kollegin freudestrahlend durch die große Flügeltür.
„Guten Morgen, Andrea.“ Sonja setzte sich quietschvergnügt an den Tisch.
„Was ist denn mit euch los?“ Manzetti, der gestern noch stillschweigend die kleinen Feindseligkeiten zwischen den beiden beobachtet hatte, war bass erstaunt. „Friedenspfeife geraucht?“
„Ich rauche nicht“, sagte Julia Küpper und setzte sich ebenfalls, während Sonja schon wieder aufstand und zum Buffet ging.
„Na ja, ist ja auch egal. Was ist eigentlich mit deinem Handy?“ Manzetti deutete mit dem Kinn auf den schwarzen Apparat, der nun zwischen ihnen lag.
„Das ist Sonjas Telefon.“ Julia nestelte sich durch alle Taschen ihrer Jacke. „Meins liegt wohl noch oben in ihrem Zimmer.“
„Bei Sonja?“ Manzetti staunte nicht schlecht. Ihm fiel fast der unzerkaute Bissen wieder auf den Teller.
„Muss ich auf ihrem Nachttisch vergessen haben.“
Er hörte sich dann doch schlucken und war verblüfft, dass der große Happen ohne Qual den Weg in die Speiseröhre fand. Das waren genau die Momente, in denen der Bolustod zuschlägt, wenn nämlich Oma der Bissen im Hals stecken bleibt, weil Opa mit einer Zwanzigjährigen durchgebrannt ist.
„Vergessen … aha … auf dem Nachttisch …Verstehe.“ Manzetti tupfte mit der Serviette über seinen Mund. „Das lasst mal nicht den guten alten Onkel Ratzinger hören.“
„Wen?“, fragte Julia.
„Den Papst.“ Sonja, mit zwei Tellern in den Händen, zog entschuldigend die Schultern hoch, was man im Vatikan aber wohl nicht sehen konnte.
Für weitere Diskussionen zu diesem Thema blieb allerdings keine Zeit mehr, denn in diesem Moment erklangen die wohl bekanntesten Töne der Musikgeschichte. Dadada daa. Mit einem Druck auf die grüne Taste beendete Manzetti Beethovens Fünfte und meldete sich.
„Ah, Hendel. Gut, dass Sie zurückrufen. Ich bin in Dortmund und grübele seit gestern über
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