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Havelsymphonie (German Edition)

Havelsymphonie (German Edition)

Titel: Havelsymphonie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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überhaupt nicht.
    „Sie werden doch Puccini kennen. Lässt sich nicht während eines Musikstudiums gerade an ihm vorzüglich über Gefühl debattieren?“
    Silbermann regte sich noch immer nicht.
    Deshalb probierte es Manzetti weiter. „Besonders in der Oper ist das wichtig, Herr Silbermann. Der Ausdruck ist wichtig. Warum haben Sie La Bohème gewählt?“
    „Was wollen Sie von mir?“ Elliott Silbermann setzte sich sehr aufrecht hin. Die Arme verschränkte er vor der Brust.
    „Beihilfe zum Mord.“
    „Das ist doch lächerlich. Genauso lächerlich, wie Ihre Uraufführung mit den drei Laiendarstellern in meiner Gaststätte“, protestierte Silbermann lautstark.
    „Die waren doch aber gut, oder? Zumindest hat Sie unser Stück beeindruckt, oder mussten Sie nur dringend zur Toilette?“
    „Tsss.“ Silbermann schaute demonstrativ zur Seite.
    „Es hat Sie also nicht beeindruckt? Schade.“ Manzetti drehte die Lautstärke der Anlage zurück.
    „Obwohl schon eine gewisse Komik in Ihrer Inszenierung lag“, sagte Silbermann plötzlich.
    „Findet Ihre Großmutter das auch?“
    Nur ganz kurz, aber für Manzetti ausreichend lange, zuckte es in Silbermanns Augen.
    „Auch wenn Ihre Mutter zeitweise in einem Heim aufgewachsen ist, hatte sie doch eine Mutter, also müssen Sie eine Großmutter haben. Und wenn nicht von dieser Seite, was ist mit Ihrem Vater? War der eine Waise?“ Manzetti sah ihn sehr ruhig an.
    „Ich hatte nie einen Vater. Also auch keine Großeltern.“
    „Väterlicherseits. Und was ist mütterlicherseits?“
    „Die sind tot.“ Silbermann sah nun nach unten.
    Manzetti blätterte derweil seelenruhig in den Papieren, die ihm Sonja und Julia Küpper zusammengestellt hatten und die nun neben dem leeren Schreibblock lagen.
    „Wissen Sie, von Düsseldorf nach Berlin fliegt man etwa eine Stunde, und wenn man das trockene Brötchen weglässt, das einem die Fluggesellschaften andrehen wollen, dann schafft man es bequem, ein solches Dossier durchzulesen.“ Er nahm den Stoß Papier in die Hand und ließ die einzelnen Seiten wie ein Bündel Geldscheine über den Daumen rauschen. „Was man da über ein Leben so erfahren kann, ist famos. Auch, wenn es erst achtundzwanzig Jahre dauert.“
    „Wenn Sie meinen.“ Silbermann blieb äußerlich gelassen.
    „Sie wurden 1979 geboren, in Kiel, wie ich lese.“ Manzetti hielt kurz inne. Er war zu schnell, zu unüberlegt, und er wusste momentan noch nicht, wohin er wollte, ihm war aber klar, dass er die Kindheit Silbermanns eigentlich lieber umschiffen sollte. „Erinnern Sie sich an unser erstes Gespräch?“, fragte er deshalb.
    „Wo soll das gewesen sein?“
    „Bei Ihnen in der Klause. Am Morgen nach dem Mord an Carolin Reinhard.“
    „Ach, ja. Sie haben mich mitten in der Nacht aus dem Bett werfen lassen und wollten dann auch noch einen Espresso. Ich erinnere mich.“ Silbermanns Lächeln trug wieder einen Anflug von ignoranter Arroganz.
    „Ich habe Sie damals nach Ihrem Vornamen gefragt. Wie kommt jemand zu einem solch ausgefallenen Namen?, habe ich gesagt. Erinnern Sie sich jetzt?“
    „Ja. Und?“
    „Sie haben mich damals angelogen. Sie haben gesagt, dass Sie aus einer Künstlerfamilie stammten und dass man in solchen Kreisen nicht Karsten oder Sven, sondern Elliott oder Helfried hieße.“
    „Nepomuk. Elliott oder Nepomuk“, verbesserte Silbermann.
    „Ah, Sie erinnern sich also.“
    „Ja schon“, musste Silbermann zugeben, der nun nicht mehr ganz so gelassen war. „Was hat das aber alles mit meiner Verhaftung zu tun?“
    „Das will ich Ihnen erklären.“ Manzetti nahm wie der Nachrichtensprecher ein Blatt Papier vom Stapel, auf das er aber nicht hinuntersah. „Mit Ihrer Verhaftung, …, ja, Herr Silbermann, Frank Silbermann, so heißen Sie doch, oder? Da entsteht bei mir die Frage, wer Ihnen den Beinamen Elliott verpasst hat und warum? Und für mich wäre noch interessant, wann hat dieser jemand Ihnen diesen Kosenamen gegeben?“ Er legte das Blatt aus der Hand und lehnte sich in seinen Sessel zurück. „Wann haben Sie Ihre Großmutter das letzte Mal gesehen?“
    „Keine Ahnung.“
    „Was bedeutet das?“
    „Dass ich keine Ahnung habe.“
    „Versuchen Sie, sich zu erinnern.“
    Silbermann sah nicht so aus, als würde er sich sehr darum bemühen. Er sah auf seine Armbanduhr, wie jemand, der in Eile war, der einen dringenden Termin hatte.
    „Vor einem Monat? Vor einer Woche?“ Manzetti bohrte nach. Wie ein sadistischer Zahnarzt.
    „Ich

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