Havelwasser (German Edition)
warum der Vatikan diesen Priester nach Potsdam entsandt hatte.
Für Manzetti waren jetzt alle Fragen nebensächlich. Ihn interessierte nur noch, was Rom vor ihm zu verbergen suchte. Aber das würde er hier in diesem Zimmer nicht klären können. Deshalb stand er auf und bereitete seinen Abgang vor.
Auf seine Bitte hin ging man mit ihm noch in das Zimmer des Diakons. Der kleine Raum im Dachgeschoss war sehr ordentlich und merkwürdig aufgeräumt. Wo man auch hinsah, alles war an seinem Platz. Selbst die Ordnung der Bücher folgte einer Komposition, die ohne Disharmonien auskam.
Pater Johannes redete mit Manzetti, ohne auf Pfarrer Hartung zu achten, der teilnahmslos auf der Türschwelle stand. Seine Worte glichen einer Eloge auf den ermordeten Diakon, auf sein leuchtendes Beispiel christlicher Tugend, auf das von vorbildlichem Fleiß erfüllte Leben und auf seine liebende Sorge um das seelische Wohl eines jeden.
Manzetti schaltete ab und richtete seine Aufmerksamkeit erst wieder auf Pater Johannes, als der ihn direkt ansprach. Bis dahin fragte er sich, wie oft der Priester diesen routinierten Vortrag über einen Kollegen schon gehalten hatte und ob er überhaupt noch wusste, was er da sagte.
„Herr Manzetti. Das wird Sie vielleicht interessieren. Diakon Weinrich war stets bemüht, die heutige Welt mit der unsrigen zu verbinden“, schwärmte der Pater, und Manzetti fiel der Versprecher sofort auf, denn er hatte damit ungewollt zugegeben, dass seine Welt von gestern war.
„Wie meinen Sie das?“, fragte er deshalb wirklich interessiert.
Pater Johannes bat ihn, ans Fenster zu treten, und zeigte auf den Innenhof des Pfarrhauses. „Sehen Sie das Kreuz?“
Er sah es. Schwarz, etwa drei Meter hoch, war selbst auf die Entfernung zu erkennen, dass es windschief, also modern, und aus Dutzenden kleiner Zylinder zusammengesetzt war.
„Ist das von Diakon Weinrich?“
„Ja“, bestätigte Pater Johannes und machte kein Geheimnis aus seinem Stolz über so viel Engagement und Großzügigkeit.
„Und wie finden Sie das, Herr Pfarrer“, wollte Manzetti nun von Hartung wissen.
Der hatte aber für den Kunstakt seines ehemaligen Diakons nur ein etwas verärgertes Schnauben übrig. „Meiner Meinung nach hätte er sich besser nicht so viel mit derlei halbweltlichen Dingen beschäftigen sollen. Vielleicht wäre er dann schon Priester geworden. Aber wer weiß schon, was in einem Menschen alles vorgeht und warum Gott manches eben so einrichtet, wie er es einrichtet?“
Wie war das eben? Sollte Weinrich seine Ordination nicht wegen besonders guter Leistungen im Petersdom erhalten?
Nach einem raschen Blick über den weiteren Innenhof verabschiedete sich Manzetti und drängelte sich an Pfarrer Hartung vorbei. „Sie brauchen mich nicht zu begleiten, meine Herren. Ich finde selbst hinaus“, sagte er im Bemühen um weltlichen Realismus und ging die knarrende Treppe hinunter.
Wieder im Auto, bat er Köppen, noch nicht loszufahren. Er griff zu seinem Handy und wählte eine Nummer aus dem internen Speicher. Nach dem vierten Klingeln meldete sich eine freudig-erregte Stimme. „Andrea, bist du das?“, und schon hatte Manzetti den Anruf ein wenig bereut.
„Ja, Jochen. Ich bin’s und ich bin in Potsdam. Warum sollten wir uns also nicht mal wieder treffen?“
„Wir beide und ganz allein? Das ist ja reizend, mein Lieber. Wann und wo? … Ich bin schon ganz aufgeregt … Und Kerstin ist auch wirklich nicht dabei?“ Jochen schien vor Glück fast zu zerspringen.
„Sagen wir in einer Viertelstunde im Holländerviertel. Such du ein Lokal aus. Irgendwo, wo man auch etwas essen kann. Ich habe furchtbaren Hunger.“
Nach einem kurzen Schweigen schlug Jochen vor: „Im Café Heider. Es ist doch schon Zeit für ein Käffchen und ein bisschen Sünde aus süßer Sahne. Aber nicht in fünfzehn Minuten. Das schaffe ich beim besten Willen nicht. Ich muss mich doch erst noch in einen neuen Fummel werfen.“
„Ich bin sehr glücklich verheiratet, Jochen. Da reicht auch eine Jeans und ein T-Shirt.“ Manzetti war die Bemerkung vor Köppen ein wenig peinlich, deshalb warf er für ihn einen scheinbar verzweifelten Blick an die Autodecke. Aber er wollte alle Hoffnungen schon im Keim ersticken. Jochen war mit seiner Fantasie meist meilenweit von der Realität entfernt, und da spielten ihm seine Wunschvorstellungen mitunter üble Streiche.
„Was heißt schon glücklich verheiratet. Nichts ist für die Ewigkeit, mein Lieber. Bis in einer
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