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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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pendelte. Musste ausgerechnet Kerstin ihm diesen stattlichen Italiener vor der Nase wegschnappen? Auch nach so langer Zeit konnte Jochen nicht die Augen vom Objekt der Begierde nehmen. Als Manzetti den Lippenstift von seiner Wange abwischte, erschien auch endlich der Kellner wieder, und er bestellte eine Tomatensuppe sowie Cotoletta di agnello con crosta di timo, was so viel hieß wie Lammkoteletts mit Thymiankruste. Jochen dagegen orderte Kuchen, Latte macchiato und eine Portion Sahne extra.
    „Für den Kummer“, kommentierte er Manzettis fragenden Blick und legte dabei den Kopf etwas schief, ganz in der ihm eigenen kokettierenden Manier. „Und in Sahne ist wenigstens kein Alkohol“, ergänzte er und deutete mit seinem dünnen Zeigefinger auf das Rotweinglas von Manzetti.
    Der trank einen Schluck des süffigen Weins und ging auf die Bemerkung des erklärten Antialkoholikers gar nicht ein.
    „Was willst du denn von mir, mein Lieber? Du kommst doch als Polizist?“, fragte Jochen.
    „Auch“, versuchte Manzetti zu trösten. „Auch, aber ich wollte natürlich mal wieder sehen, wie es dem Patenonkel von Lara geht.“
    „O Gott“, rief Jochen in einer Lautstärke aus, die beide urplötzlich in den Mittelpunkt des Cafébetriebs rückten. Manzetti war sich nicht sicher, ob der Ausruf Ausdruck des Entsetzens über sein eigenes Verhalten war, weil er sich zu lange nicht um sein Patenkind gekümmert hatte, oder ob Jochen auf diese Art mal wieder um die Aufmerksamkeit aller buhlte.
    „Die niedliche Prinzessin. Sie muss ja gewachsen sein, die Kleine. Es ist schon so lange her, dass ich sie sah. Drück sie von mir, bitte.“ Dann nestelte er in seinen Taschen und förderte einen Hunderteuroschein zutage. „Sie soll sich was ganz Schickes kaufen. Sagst du ihr das?“
    Manzetti nickte und fand, dass er Jochens momentane Verlegenheit ausgezeichnet nutzen konnte, um sein eigentliches Anliegen anzusprechen. „Jochen, du warst doch mal Lehrer.“
    „Erinnere mich nicht daran“, schrie er heraus und fing die Worte mit ausgebreiteten Armen gleich wieder ein. „Eine grausame Zeit, aber Gott sei Dank nur kurz.“
    „Du warst doch zu der Zeit auch im Bildungsministerium beschäftigt, oder?“
    Nach dieser Frage wurden Jochens Handbewegungen noch intensiver und ausladender, seine Stimme wurde jedoch leiser. „Das war noch viel schlimmer“, säuselte er, denn jeder Nachbartisch konnte Ministeriumsmitarbeiter beherbergen, und einige von denen bildeten seine potenzielle Kundschaft. „Die Kinder waren zwar ungehorsam, aber wenigstens kreativ. Die anderen waren nur langweilig“, behauptete er und blickte sich despotisch im Café um.
    „Egal“, beharrte Manzetti. „Ich brauche einige Informationen über einen Lehrer.“
    „Und wie heißt der?“
    „Martin Becker.“
    „Ist das dieser Kinderschänder, den man bei euch hingerichtet hat?“ Jochens Gesicht sah aus, als hätte er auf ein Kilo Zitronen gebissen.
    „Kinderschänder? Woher weißt du das?“, fragte Manzetti verblüfft.
    „Ich weiß so ziemlich alles, mein Lieber. Außerdem pfeifen das die Spatzen von den Dächern.“
    „Das ist aber bislang noch nicht in der Presse verlautbart worden“, sagte Manzetti, obwohl er sich sicher war, dass es nun nur noch Stunden dauern würde, bis man das nachholen würde.
    „Die Presse, die Presse. Warum habt ihr denn immer so viel Angst vor der Presse? Euer Problem ist, dass im Moment keine Saison ist, Andrea. Ich meine, dass all die Joops und Jauchs und so weiter gerade nicht in der Stadt sind, und da versuchen die Möchtegern-VIPs, sich in den Vordergrund zu spielen. So sickert schon mal die eine oder andere Information aus dem einen oder anderen Ministerium durch. Man muss sich interessant machen. Schließlich will man in der nächsten Saison ja auch mal eine Einladung erhalten, oder?“
    „Okay“, kapitulierte Manzetti und merkte, dass Potsdam ganz anders tickte als Brandenburg. „Was weißt du über diesen Lehrer?“
    „Nichts“, entschuldigte sich Jochen. „Wirklich nicht.“
    „Der war mal in Afrika“, schob Manzetti ein. „Wie kommt man dahin als Lehrer?“
    „Das ist eigentlich ganz einfach“, behauptete Jochen. „Trotz mieser Pisa-Ergebnisse leistet sich Deutschland jedes Jahr den Luxus, Hunderte Lehrer ins Ausland zu schicken und die auch noch großzügig zu bezahlen. Manch einer der ehrwürdigen Pädagogen macht von dieser Art bezahltem Urlaub in den schönsten Regionen der Welt redlichen

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