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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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habe keinen Bock mehr auf Knast, und euch traue ich nicht einmal so weit, wie ich euch sehen kann.“
    Manzetti sah sich in dem Zimmer um, konnte aber nichts entdecken, was zu verwenden war, um den Mann ein bisschen zu erpressen. Stattdessen sah er ein junges Mädchen in der Tür stehen. Sie war etwa 20, aber ihr Gesicht schien schon gezeichnet, als hätte sie die Lebenserfahrungen ihrer Großmutter. Ihre Augen drückten nicht freudvolle Erwartung an ein aufregend-schönes Leben aus, sondern eher vergangenes Leid.
    „Axel!“ Sie sprach schwer, als seien ihre Lippen von klirrender Kälte gelähmt. „Du hast gesagt, dass jetzt Schluss ist. Dann mach das auch.“
    „Halt dich da raus“, blaffte er die junge Frau an, die vermutlich die Mutter der beiden Kinder war.
    „Dann pack deine Sachen und geh zu deinen Kumpels, die dich immer wieder in den Knast gebracht haben. Soll auch die Kleine ohne ihren Vater aufwachsen?“
    „Verpiss dich“, schnauzte Axel und stellte die Milchflasche auf den Tisch. Resigniert, ohne ein weiteres Wort nahm sie das Kind und ging hinaus.
    „Wozu wollt ihr das wissen?“, räumte Axel plötzlich ein und zündete sich eine Zigarette an.
    „Neugier“, antwortete Manzetti.
    „Du bist wohl ein ganz Schlauer, was? Aber gut, damit ich endlich Ruhe vor euch habe.“ Er stellte sich ans Fenster und blies den Rauch ins Freie. „Der Markt ist hier streng aufgeteilt. Das weiche Gelumpe geht meistens übers Asylbewerberheim. Da hängen alle mit drin. Libanesen, Afrikaner und auch Jugos. Die können dir auch harte Joints besorgen, Shit und so. Aber euer Kokain, das geht nur über Raffel. Der allein besorgt Koks und der allein teilt den zu und macht die Preise. Aber einen richtigen Markt gibt es dafür eigentlich nicht.“
    „Was heißt das?“
    „Was das heißt? Na, dass es in dieser Stadt keinen richtigen Markt dafür gibt. Ist doch viel zu teuer, und die paar Anwälte und Jungunternehmer werfen nicht genügend Profit ab. Das macht Raffel nur als Service. So nebenbei quasi.“
    „Und da tanzt keiner aus der Reihe?“, fragte Manzetti weiter.
    „Du kannst es ja mal probieren. Raffel lässt dich einmauern, und dann bist du das Fundament für das nächste schöne Gebäude, das der Bürgermeister einweiht.“
    „Wer kauft denn hier in Brandenburg Kokain?“
    „Keine Ahnung, Mann. Ich bin doch nicht lebensmüde.“ Axel hatte die Lust an der Unterhaltung verloren. Sicher waren auch seine Erfahrungen der letzten Jahre im Knast einer Unterhaltung mit der Polizei nicht gerade förderlich.
    Manzetti verabschiedete sich und drängte nach draußen, wollte an die frische Luft, um tief einzuatmen.
    Im Auto fragte Köppen dann: „Jetzt zu Raffel?“
    Er schüttelte nur den Kopf, denn Magnus Raffel war die Unterweltgröße schlechthin, und jeder Versuch, ihn hinter Schloss und Riegel zu bringen, scheiterte im Büro seines Anwalts. Und von dem hatte Manzetti erst einmal genug. Zwei Mal am Tag wollte er nicht mit Herrn Gutendorf zusammentreffen.

14
    Es war bereits fünfzehn Uhr, als sie in Potsdam eintrafen. Dank des Navigationssystems fand Köppen das Pfarramt sofort, und auch ein freier Parkplatz bot sich unweit des Hauses, vor dessen Eingang Manzetti nun stand. Er wollte alleine hineingehen; es sollte nicht aussehen, als käme die Polizei immer in Überzahl. Er klingelte und wartete an der schweren Holztür.
    Eine kleine und gedrungene Frau öffnete schließlich nach einiger Zeit. Er glaubte zu erkennen, dass ihr das Alter übel mitgespielt hatte. Davon zeugten die Säcke unter den Augen und die dünnen, blutleeren Lippen. Sie schaute ihn mit unendlich traurigen Augen an. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie in ortsüblichem Dialekt mit schleppendem Ton. Und ihre Stimme klang gepresst, so als müsste sie jedes Wort einzeln an der Zunge vorbeischieben.
    „Guten Tag. Mein Name ist Manzetti, und ich komme von der Polizei aus Brandenburg.“
    Die Frau trat zur Seite und ließ ihn ohne weitere Fragen hinein. Wortlos ging sie vor ihm her und öffnete eine Tür auf der linken Seite des Flures. Sie selbst setzte ihren Weg einfach geradeaus fort.
    Er fand sich mitten in einem Raum wieder, der eine Art Arbeitszimmer war, das verrieten die vielen Bücherregale und ein zum Schreibtisch umfunktionierter Esstisch. Über der Tür und an der gegenüberliegenden Wand hing jeweils ein Kreuz, ansonsten waren die Wände kahl bis auf das Bild vom Papst. Der schaute mit freundlichen Gesichtszügen auf alles

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