Havelwasser (German Edition)
geschulten Rhetorik katholischer Geistlicher.
„Er soll also vertuschen, dass ein Diakon Ihrer Kirche in solch einen Schweinkram verwickelt war. Habe ich das richtig interpretiert?“
Hartung blieb stumm.
„Keine Antwort ist auch eine Antwort“, dachte sich Manzetti und fuhr dann laut fort. „Warum legen Sie mir dann aber doch die Karten offen auf den Tisch?“
„Ich möchte Ihnen helfen“, antwortete Hartung ohne Zögern. „Auch ich möchte, dass die beiden grausamen Morde aufgeklärt und gesühnt werden. Mehr nicht. Leider konnte ich Ihnen aber nur die Kopie beschaffen. Leider.“
Manzetti glaubte nicht an das rechtsstaatliche Pflichtgefühl des Pfarrers, und er war sich auch nicht sicher, ob Hartung ahnte, dass ihm die Kopie als Beweismittel in einem späteren Gerichtsverfahren kaum von Nutzen sein würde. Er ließ dieses Thema aber erst mal beiseite.
„Was hätten Sie davon, Herr Pfarrer?“
„Wovon?“, fragte Hartung naiv.
„Davon, dass die Morde aufgeklärt werden.“
Hartung antwortete wieder nicht. Er senkte seinen Blick zum Boden, wirkte aber dennoch hoch konzentriert.
„Herr Pfarrer“, redete Manzetti weiter in die nach seiner Meinung schon zu lange Pause. „Sehen wir es doch mal mit den Augen des Alten Testaments. Wenn Weinrich wirklich pädophilen Neigungen nachgab, dann wurde ihm doch die gerechte Strafe zuteil, oder? Zahn um Zahn. Eigentlich ist damit die Kirche aus dem Schneider und könnte sich beruhigt zurücklehnen. Das Aufspüren des Mörders ist nämlich mein Problem, eine reine weltliche Angelegenheit, mit der die Kirche sich nicht befassen muss.“
Hartung hob seinen Kopf wieder und sah Manzetti an, beobachtete jede Regung in seinem Gesicht, blieb aber weiter schweigsam.
„Oder gibt es da noch mehr zu erfahren? Haben Sie etwa noch jemanden in Ihren Kreisen, der im Fadenkreuz unseres Mörders stehen könnte?“
„Wie kommen Sie auf solch abwegige Gedanken, Herr Manzetti?“
„Abwegig?“, hakte Manzetti verständnislos nach. „Nein, die Menschen haben mich in meiner Laufbahn gelehrt, dass nichts unmöglich ist. Und das wissen Sie sicherlich genauso gut wie ich, Herr Pfarrer. Hätten Sie nicht noch vor einem Monat mit tiefster Entrüstung reagiert, wenn ich einen Ihrer Priester auch nur in eine marginale Verbindung zur Kinderschänderszene gebracht hätte?“
Hartungs Miene blieb unbewegt, aber Manzetti hatte das Gefühl, dass der Pfarrer ihn verstanden hatte. „Sie meinen, was einmal passiert ist, kann sich auch wiederholen?“, fragte Hartung, und Manzetti nickte zur Bestätigung.
„Ich kann nur hoffen, dass Sie sich täuschen. Der Leibhaftige ist einmal bis in das Haus unseres Herrn vorgedrungen und fordert ihn damit heraus.“ Hartung schien nun sehr erregt. „Wir können und dürfen und werden dem Teufel nicht unser schützendes Heim, unsere heilige Kirche überlassen, Herr Manzetti.“ Die Worte hallten durch die riesige Kirche und durchliefen jeden Winkel.
Manzetti war überrascht, mit welchem Fanatismus Hartung diese Sätze aussprach. Er hatte den Pfarrer aus den Nachmittagsstunden ganz anders in Erinnerung. Deshalb beschloss er, schnell das Thema zu wechseln.
„Was können Sie mir über Pater Johannes sagen?“
„Ich kenne ihn nicht, und er scheint klare Anweisungen zu haben.“
„Kann ich noch einmal mit ihm reden?“
„Sie können es versuchen. Er wird sich bis zum Abschluss Ihrer Ermittlungen in meinem Hause aufhalten.“ Nach einem kurzen Räuspern ergänzte Hartung. „Aber bitte verschweigen Sie ihm, dass wir uns getroffen haben. Ich bin bei Androhung von Strafe nicht befugt, mit Ihnen allein zu reden. Bitte, Herr Manzetti. Es wird auch für Ihre Ermittlungen von Vorteil sein, denn wenn Pater Johannes je erfährt, dass ich Ihnen den Zettel zugesteckt habe, dann können die Ihnen das Leben sehr schwer machen. Glauben Sie mir.“
Manzetti glaubte das, auch wenn er nicht genau wusste, wer „die“ waren.
18
In der Direktion passierte nicht viel an diesem Freitag, und das war noch übertrieben. Claasen war seit den frühen Morgenstunden in Potsdam, um dem Innenminister Bericht über die beiden Morde zu erstatten. Die hatten mittlerweile nicht nur Manzetti in Beschlag genommen, sondern auch Tag um Tag die Titelblätter der einheimischen und der überregionalen Medien beherrscht. Und da kein Politiker der Welt über die nötige Gelassenheit verfügte, darauf zu vertrauen, dass ein neues Ereignis, zum Beispiel ein unerwarteter Sieg Bochums
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