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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Aber inzwischen habe ich mit Jennifer und auch mit ihren Eltern gesprochen“, erklärte sie ihm und ließ diesen Satz so nebensächlich wie möglich klingen. „Lara ist auf dieser Party sehr sicher, und dafür würde selbst ich meine Hand ins Feuer legen.“
    Manzetti antwortete nicht. Er war von jenem Ja, das sowohl Kerstin als auch Lara jetzt von ihm erwarteten, noch meilenweit entfernt. Was war schon sicher? Aus seiner Sicht war Lara nur sicher, wenn er mit ihr gemeinsam auf diese Party ginge, und das wäre absurd.
    „Es ist nicht nur die Party“, sagte er deshalb.
    „Was dann?“
    „Es ist die gesamte Situation. Du glaubst gar nicht, was ich heute alles erlebt habe.“
    Kerstin strich ihm noch immer durch die Haare, als sie fragte: „Was denn?“
    „Deine angebliche Freundin Verena Becker zum Beispiel. Die hat nicht alle Tassen im Schrank. Glaub es mir.“
    „Wie kommst du denn darauf?“, fragte sie und hielt ihre Finger still.
    „Ich habe ihr heute gesagt, dass ihr Mann möglicherweise ein Kinderschänder war. Das hat sie völlig kalt gelassen. Sie hat ihn sogar noch verteidigt. Der Arme konnte ja gar nichts dafür, weil sich ja in Afrika die wilden Mädchen an wehrlose erwachsene Männer ranmachen.“
    Kerstin unterbrach ihren Mann ungläubig. „Das soll sie gesagt haben?“
    „Hat sie. Die haben ihrem Mann nachgestellt, und ich hatte das Gefühl, dass sie ihn und nicht die Kinder zum Opfer machte. Aber wenn jemand sich beschwert, weil Verena Becker einen fremden Wellensittich freilässt, dann droht sie mit Mord und Totschlag. Das ist doch nicht normal. Die schwarzen Mädchen taten ihr nicht mal leid.“ Manzetti setzte sich halb auf und drückte seinen schweren Kopf in den weichen Busen seiner Frau.
    „Das kann doch aber unseren beiden nicht passieren. Oder glaubst du das?“
    „Lass uns morgen noch mal darüber reden“, bettelte er und schob mit nachdenklicher Stimmlage hinterher: „Bitte.“
    Kerstin küsste seinen Mund, wobei er das intensive Aroma des Grappas auf ihren Lippen zu schmecken glaubte, und stimmte zu. „Am besten am Wochenende, ganz in Ruhe“, schlug sie vor und verunsicherte ihn erneut.
    „Da ist es doch schon zu spät, Schatz.“
    „Wieso zu spät?“, fragte sie.
    „Sie will doch schon am Samstag zu Jennifer“, stammelte er und merkte in diesem Augenblick, dass er wieder mal nicht richtig zugehört hatte.
    „Am nächsten, Andrea. An diesem Samstag sind wir bei Irene und Herbert zum Grillen eingeladen.“
    „Hm“, machte er nur und vergrub sich wieder bei seiner Frau.
    Eine Weile hingen beide ihren Gedanken nach. Schließlich brach Kerstin das Schweigen. „Verena war schon immer unberechenbar. Jedenfalls als Kind“, erzählte sie ihm. „Sie hat mal bei mir im Kinderzimmer einen Hamster befreit und sich dann gefreut, als ihn die Katze der Nachbarn fraß. Das sei echte Natur, hat sie lediglich gesagt und war schwer begeistert von ihrer Tat.“
    „Die spinnt doch“, brabbelte er in den Ausschnitt ihres T-Shirts.
    „Manchmal schon. Aber ansonsten ist sie nett. Und klug. Sie ist mal auf einen Jungen aus unserer Schule losgegangen, nur weil der mit seltenen Zierfischen auf dem Schulhof gehandelt hatte. Profitgeier hat sie gebrüllt, als sie ihm das Gesicht zerkratzte. Dafür ist sie von dem ordentlich verprügelt worden. Sie hat sogar einen gebrochenen Arm davongetragen. Alles Opfer für die armen Tiere, hat sie das dann kommentiert.“
    „Ich sag doch, die spinnt.“
    Kerstin war sich da nicht so sicher, setzte das Gespräch aber nicht fort, sondern sah nach den Kindern und ließ ihren Manzetti allein im Arbeitszimmer zurück.
    Tausende Gedanken durchliefen alle möglichen Winkel seines Gehirns und quälten ihn. Es war nicht nur der Fall, an dem er arbeitete. Er stellte sich auch Fragen zu seinem Privatleben. Was wusste er wirklich über seine Kinder, was wusste er über seine Frau, über seine Familie? Was bedeutete ihm sein Beruf, der ihn mehr und mehr in Anspruch nahm und weiter von seiner Familie entfernte, als ihm lieb war? Manzetti fühlte sich wie an einen Marterpfahl gefesselt, um den Dutzende Ganoven, kleine Straßenkriminelle und leider auch große Schwergewichte ihren merkwürdigen Reigen tanzten und immer mehr Pfeile der Kriminalität auf ihn abfeuerten.
    Als er aufstand, um ins Wohnzimmer zu gehen, hielt ihn das Klingeln des Telefons zurück. Er guckte den Apparat an und wollte ihn zuerst ignorieren, nahm dann aber doch ab.
    „Hallo“, sagte er im

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