Havelwasser (German Edition)
Jahrtausendbrücke den Weg durch die Hauptstraße. Aber er nahm seine Umgebung kaum mehr wahr, sobald er sich in die neuen Erkenntnisse vertieft hatte.
Warum hatten beide Opfer braune Schuhe aus edelster englischer Produktion getragen, die ihnen nicht einmal richtig passten, und warum waren in beiden Schuhpaaren geringe Mengen Elfenbeinpulver versteckt? Was hatte Elfenbein mit der Kinderschänderszene zu tun?
War das ein weiterer Zug im Schachspiel mit seinem Gegner? Er hatte zu diesem Zeitpunkt noch immer mehr Fragen als Ansatzpunkte und nicht einmal die Richtung, in der das mögliche Tatmotiv lag. Ein Ende des Tunnels war nicht sichtbar.
Anfänglich hatte alles nach einem Racheakt oder einem Akt von Selbstjustiz ausgesehen, der mit der Pädophilenszene zu tun hatte. Und es gab auch jetzt noch keine andere Spur. Was aber hatte das alles mit Elfenbein zu tun? Oder anders: Wie konnte er Elfenbein, das schon fast in Geheimdienstmanier transportiert worden war, in seine Überlegungen einbetten?
Zwei Männern hatte man die Kehle durchschnitten. Beide waren nicht an den Fundorten getötet, aber beide waren sie hier in Brandenburg abgelegt worden. Zumindest Weinrich hatte nicht hier gewohnt, und seine Beziehungen zu Brandenburg waren auch noch nicht zu erkennen. Es musste aber welche geben, denn warum sonst hätte der Mörder die Toten gut sichtbar an die Havel legen sollen? Eine weitere Gemeinsamkeit war der Hinweis auf die griechische Mythologie, allerdings nur, wenn Manzettis Deutung stimmte.
Mehr hatte er bisher nicht, und das war verdammt wenig. Aber vielleicht konnten zwei Herren zumindest etwas Licht ins Dunkel der Drogen bringen. Manzetti ging an dem im Bau befindlichen Slawendorf vorbei und näherte sich leicht gebückt und durch dichte Sträucher gut versteckt der Parkbank. „Na, mein Herr“, rief er dem Bärtigen zu und trat dann offensichtlich äußerst bedrohlich bis auf wenige Zentimeter an ihn heran. „Wo ist dein Kumpel?“
Der Mann zitterte wie Espenlaub, wahrscheinlich, weil er neben der Überraschung auch Unwohlsein beim Anblick des missgelaunten Hauptkommissars empfand. „Der holt … der … ich meine, der tut neue Pilsetten besorgen“, stotterte er und flehte mit angsterfüllten Augen in Richtung Manzetti.
Der ließ Daumen und Zeigefinger der rechten Hand genau vor dem Gesicht des Bärtigen aneinanderschnippen und drohte weiter: „Aha. Und woher hatte der dritte von euch das Rauschgift?“
„Wer?“, fragte der Penner für Manzettis Geschmack etwas zu unschuldig. Bis zum lauten Aufschrei des Bärtigen verging nicht einmal eine Sekunde, es war genau die Zeit, die Manzettis Hand brauchte, um an das linke Ohr seines Gegenübers zu schnellen und sich dort festzukrallen.
Als Manzetti seine Arme wieder vor der Brust verschränkte, wirkte er auf den Penner anscheinend noch beängstigender, denn dem kamen jetzt sogar Tränen. „Ich habe euch doch gesagt, dass ihr mich nie wieder belügen sollt. Woher hatte er also das Kokain?“
Mit der linken Hand hielt sich der Penner noch immer sein Ohr, mit der rechten griff er hinter sich und kramte in einer Alditüte. „Hier“, sagte er mit erstickter Stimme und reichte Manzetti eine schwarze Brieftasche.
„Was soll ich damit?“
„Ditt ist die Geldbörse von den Mann, den wir da drüben gefunden haben. Die iss aber leer, wa. Ditt war der fremde Kumpel, wissen Sie. Der hat die Kohle aus ditt gute Stück genommen und uns nur die leere Brieftasche gelassen, ditt Schwein.“
Manzetti klappte die schwarze Geldbörse auseinander und zog eine Kreditkarte der Mittelbrandenburgischen Sparkasse heraus. „Und was ist das?“, fragte er.
„Na eine Kreditkarte, wa. Aber watt soll ich denn damit. Mir geben sie nicht einmal ein Brot dafür, wie ich aussehe.“
Ja klar, dachte Manzetti. In ihrer Welt zählte nur Bargeld und das hatte für sie eine verdammt geringe Halbwertszeit.
„Was hat der dann mit dem Geld gemacht?“, wollte er schließlich wissen.
„Der iss in die Stadt gegangen und hat sich ditt Spritzengelumpe geholt. Die ganzen hundert Euronen hat der für zwei Gramm ausgegeben.“
Damit war geklärt, woher das Kokain stammte, und dass zwei Gramm in die Vene des ausgezehrten Körpers eine Überdosis dargestellt hatten, wusste Manzetti auch ohne Nachfrage bei Bremer. Er griff in sein Sakko und gab dem Bärtigen zehn Euro. „Aber nicht für Bier.“
Dem leuchteten die Augen, als er sagte: „Nee, klar doch. Davon kauf ich mir ein feines
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