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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Nacht wach geworden und fast ebenso oft aufgestanden, bis er gegen fünf Uhr im Wohnzimmer auf dem Sofa liegen geblieben war. Er war sich sicher, dass Kerstin jede seiner Bewegungen, jedes Aufstehen bemerkt und sich nur schlafend gestellt hatte, um ihn nicht noch zusätzlich zu nerven.
    Als Paola und Kerstin nach den ersten Sonnenstrahlen auch aus dem Bett geklettert waren, bot er sich an, zum Bäcker in die Sankt Annenstraße zu gehen. Bei der Gelegenheit konnte er kurz in die gegenüberliegende Buchhandlung Melcher schlüpfen und sich ein neues Buch gönnen, denn gelesen hatte er bestimmt schon zwei Wochen nicht, und das fehlte ihm.
    Nach wenigen hundert Metern trat er an den Säulen des Eingangsbereiches vorbei auf den Teppichboden des Buchladens. Es gab mehrere Regale mit Kochbüchern, auf deren Einbänden die fast täglich über den Fernsehbildschirm flimmernden Jungköche lächelten, und Manzetti fragte sich, woher die in ihrem zarten Alter all die für einen Sternekoch notwendigen Erfahrungen hatten. Aber wahrscheinlich würde er seine Sendungen als Fernsehproduzent auch nicht anders machen. Die Köche mussten fotogen sein, jugendlich frisch wie alles im Fernsehen, und ob sie kochen konnten, das war für niemanden wirklich zu überprüfen.
    Er nahm sich „Die Pest“ von Camus und bezahlte.
    Als er mit der Tüte voller noch warmer Brötchen zu Hause ankam, war er erstaunt, dass selbst Lara am Wochenende zu so früher Morgenstunde am Tisch saß.
    „Du hier?“, fragte Manzetti sie.
    „Und nicht in Hollywood?“, vollendete Lara den Satz. „Mama hat gesagt, dass wir vielleicht zu Jochen fahren und dann mit ihm shoppen gehen.“
    Manzetti sah zu Kerstin.
    „Ich dachte, dass wir mit dir zusammen bis Potsdam fahren und du dann alleine zum Tierpark nach Berlin weiterfährst. Würde doch gehen, oder?“
    „Ich habe umdisponiert und fahre heute nicht zum Tierpark“, erwiderte Manzetti, obwohl er den Vorschlag seiner Frau gar nicht so schlecht fand. „Aber wir können alle zu Jochen fahren. Ich möchte sowieso mit ihm reden, und anschließend, wenn ihr einkaufen geht, fahre ich mit der Bahn nach Brandenburg zurück.“
    „Prima.“ Kerstin schob Paola die Müslischüssel dichter heran, denn einige Krümel lagen schon über die Tischdecke verstreut. „Du musst mit Jochen reden? Worüber denn?“, fragte sie dann neugierig.
    „Etwas Dienstliches“, antwortete Manzetti, denn er wollte auf keinen Fall in der Gegenwart seiner Töchter darüber reden.
    „Hat er was ausgefressen?“, mischte sich nun Paola ein.
    „Nein“, beantworte Kerstin ihre Frage, und augenblicklich war das Interesse der Mädchen erloschen, denn eine Sensation war nicht mehr zu erwarten.
    Kaum eine Stunde später fuhren sie durch Potsdam. Der Teil der Landeshauptstadt, in dem Jochens Haus lag, war eine teure Wohngegend, und der VW-Touran der Manzettis fiel allein deshalb auf, weil er in schleichender Fahrt über das holprige Pflaster stotterte. Die Steine waren weitaus noblere Autos gewohnt und vielleicht deshalb so widerborstig.
    Kerstin steuerte das Auto schließlich in eine Einfahrt und stellte den Motor ab, während er bereits ausstieg und zur Haustür ging. Er drückte auf den obersten Knopf der Klingelleiste und wartete.
    „Buon giorno“, sagte er freundlich gestimmt auf ein mürrisches „Hallo“, das aus der Wechselsprechanlage kam.
    „Andrea, Liebling“, surrten die Wörter jetzt nur so durch die Leitung, und Manzetti konnte sich schwerlich vorstellen, dass sie überhaupt durch die dünnen Drähte passten. So dick aufgetragen klangen sie.
    „Du Schlampe“, hörte er plötzlich dicht an seinem Ohr, denn Kerstin stand neben ihm, hatte alles mit angehört und reagierte in gespielt empörtem Ton.
    Sofort summte der Türöffner ohne weitere Bemerkungen von Jochen Kern, und die Kinder schoben die schwere Tür auf und verschwanden im dunklen Hausflur.
    „Bitte!“ Manzetti hielt Kerstin die Tür auf. „Aber eines kannst du mir glauben: Irgendwann schneide ich ihr den Schwanz ab“, ergänzte er, ohne es auch nur ansatzweise so zu meinen.
    Trotzdem bekam er prompt eine Belehrung. „Jochen ist ein richtiger Mann, Andrea. Von ihm könnten sich noch einige andere Herren der Schöpfung eine Scheibe abschneiden.“ Sie verengte die Augen zu gefährlich anmutenden Sehschlitzen, die ihre Bereitschaft erkennen ließen, ihren alten Freund Jochen in jeder Lebenslage zu verteidigen.
    „Das will er ganz bestimmt“, antwortete Manzetti

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