Havelwasser (German Edition)
die Manzettis vielsagend an. „Und diese Dame war bis zu ihrer Ausreise alles andere als gern gesehen in diesem südafrikanischen Land. Manch ein weißer Farmer, der durch die Jagd auf Wildtiere den einen oder anderen Dollar nebenbei verdiente, hat sie gehasst wie der Teufel das Weihwasser. Sie gehörte nämlich dem schwer militanten Flügel des WWF an und ist mit härtesten Methoden gegen Wilderei und auch gegen jeden legalen Abschuss vorgegangen. Insbesondere gegen den von Elefanten.“
Manzetti brummte zustimmend, und Jochen fuhr fort: „Apropos Weihwasser. Sie soll vorher übrigens ein äußerst pikantes Verhältnis gehabt haben, und dreimal dürft ihr raten, mit wem?“ Da Jochen die Frage an sich selbst stellte, wartete er nicht, bis er eine Antwort erhielt. „Mit einem katholischen Geistlichen, der deshalb auch vom heiligen Stuhl zurückbeordert wurde. Ihr wisst schon …“, sagte Jochen, „… das Zölibat.“
„Und der Geistliche hieß Fred Weinrich und hat Becker seine Geliebte überlassen“, bemerkte Manzetti und spürte, wie sich wohlige Wärme in seiner Brust breitmachte. Als er gestern mit Herbert über Elfenbein und Afrika philosophiert hatte, und selbst nach den Hinweisen von Beckers Vater, war er sich noch nicht sicher. Jetzt sagte ihm sein Gespür, dass Verena Becker die Jeanne d’Arc der afrikanischen Savanne war und dass sie direkt mit den Morden zu tun hatte.
„Glaubst du mir etwa nicht?“, brach es aus dem sensiblen Jochen heraus. Er glaubte wohl, dass Manzetti ihn auf den Arm nahm.
„Doch, doch. Ich danke dir sogar sehr. Und der Pfarrer, den du meinst, hieß wirklich Weinrich. Dessen bin ich mir sicher.“
„Warum hieß?“, fragte Jochen.
„Weil er das andere Mordopfer ist.“
„Wirklich?“
Manzetti nickte. Damit schloss sich der Kreis, und wie eine Erleuchtung kam ihm der nächste Gedanke. Den galt es aber vor dem Aussprechen noch zu verifizieren, deshalb behielt er ihn lieber noch für sich und fragte stattdessen beiläufig: „Hast du noch mehr, Jochen?“
„Reicht das nicht? Ich hatte doch bloß ein paar Tage Zeit. Außerdem bin ich kein Polizist“, gab er zu bedenken.
„So habe ich das nicht gemeint. Ich bin dir wirklich sehr dankbar, und du hast jeden Wunsch frei. Versprochen“, sagte Manzetti und bereute seine Großzügigkeit sofort wieder. Wenn Jochen das nur nicht ausnutzte! „Buona fortuna für euren Einkauf“, wünschte er deshalb schnell und ließ sich von Jochen ein Taxi bestellen.
„Wo willst du hin?“, wollte Kerstin wissen, aber Manzetti rannte bereits die Treppe hinunter, ganz so, als wäre zu befürchten, das Taxi könnte ohne ihn abfahren.
22
Der Gedanke, dass er es mit einer Dreiecksgeschichte der besonderen Art zu tun hatte, einer Troika aus zweimal Becker und einmal Weinrich, beschäftigte ihn während der zehnminütigen Fahrt derart, dass er die Menschenmenge auf dem Luisenplatz ebenso wenig wahrnahm wie die immer wieder faszinierende Rückfront von Schloss Sanssouci. Als das Taxi hielt, bezahlte er mit einem Zehner und ließ dem Fahrer das Kleingeld. Dann stieg er aus und klingelte an der Tür, vor der er vor kurzem schon einmal gestanden hatte. Er hatte die Hand noch nicht wieder heruntergenommen, als ihm auch schon geöffnet wurde.
Es war Pfarrer Hartung selbst, der vor ihm stand. „Herr Manzetti?“ Die Überraschung des Geistlichen war offenkundig.
„Guten Morgen, Herr Pfarrer“, entgegnete Manzetti, ebenfalls ein wenig überrascht, da er eigentlich mit der älteren Haushälterin gerechnet hatte.
„Ach ja. Guten Morgen“, erwiderte Hartung den Gruß und kam langsam zur Besinnung.
Manzetti bemerkte die Verwirrung in den Augen des Geistlichen, sprach ihn aber nicht darauf an, sondern hoffte, dass Hartung sie von sich aus erklären würde.
„Kommen Sie doch rein, Herr Manzetti.“
Er folgte dem Geistlichen in das Arbeitszimmer, das er bereits kannte. Sogar derselbe Stuhl wurde ihm angeboten. Noch bevor Hartung das Gespräch eröffnen konnte, trat wie durch Zufall Pater Johannes ein und nickte Manzetti überaus freundlich zu. Er traf also auf dieselbe Gesellschaft wie beim letzten Mal. Selbst die Jungfrau Maria und der blutige Jesus waren anwesend. Rein äußerlich hatte sich also nichts verändert. Aber galt das auch für die anwesenden Menschen?
Die Freundlichkeit des Paters musste nicht unbedingt eine Botin des Guten sein. Auch Hartung wirkte anders auf Manzetti. Er war viel blasser und trug dunkle Ringe unter den
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